[2] Personen
- Frank, Schauspieldirektor
- Eiler, ein Banquier
- Puf
- Herz, Schauspieler
- Madame Pfeil
- Madame Krone
- Madame Vogelsang, Schauspielerinnen
- Hr. Vogelsang, ein Sänger
- Madame Herz
- Mademoiselle Silberklang, Sängerinnen [2]
[2] Personen
Frank, gleich darauf Puf.
O nur keine Grillen! Seyn Sie froh, daß wir irgendwo unterkommen. Wenn die Kunst nach Brod geht, muß es ihr gleich viel seyn, welche Thüre ihr offen steht. Es sind überdieß noch Bedingungen dabey. Lauter lustige Stücke, Ballette und Opern müssen Sie geben.
[3]Und vom besten Gepräge nicht wahr? Was kostet nicht schon eine gute Gesellschaft! dann erst Ballette! Opern! und dafür am Ende eine geringe Einnahme?
Ja, da müssen Sie sich zu helfen wissen. Sehn Sie mehr auf die Zahl als auf die Güte der Leute, die wohlfeilsten die besten. Ihr erster Akteur muß Ihnen nicht mehr als wochentlich 4 Thaler, und die erste Aktrice 2 Thaler kosten. Hernach schicken Sie eine Ankündigung voraus, und sagen drainn: Sie brächten die stärkste und ausgesuchteste Gesellschaft mit, wie noch keine dort gewesen wäre.
Die besten Stücke; 30, 40 Personen stark. Worinn ein Akteur den andern vom Theater verjagt, und der Zuschauer nicht Zeit hat, über irgend eine Scene nachzudenken.
Und mit Recht, weil Sie's meiste Geld eintragen. Ich weis wohl was Sie sagen können. – Aber – legen Sie die Hand auf's Herz, und reden Sie die Wahrheit: Haben wir nicht gerade mit den Stücken, worüber am meisten geschimpft wurde, das meiste Geld eingenommen? und bey jenen, die alle Welt für [4] Meisterstücke hält, leere Bänke gehabt? Mit Nathan dem Weisen werden Sie das zweytemal nicht so viel einnehmen als die Lichter betragen; den Graf Waltron aber können Sie 20mal geben, und werden immer das Haus voll haben. Ergo? Ein Direkteur muß auf die Kassa sehen – ergo: die schlechtesten Stücke die Besten.
Ich bitt' Sie, bleiben Sie mit ihrem guten Geschmack zu Haus, er hat Sie beynahe an Bettelstab gebracht. Es ist ein Hirngespinnst, das den Kopf aber nicht den Beutel füllt. Die Leute führen ihn deßhalb so häufig auf der Zunge um ihn bey jeder Gelegenheit von sich zu geben, weil sie ihn nicht verdauen können. Den zu gründen gehört für grosse Herren, aber nicht für Privatleute.
Und damit Sie's nicht wieder erfahren, so machen Sie's wie andre: hängen Sie ein prächtig Schild aus, mit Torten und Pasteten bemahlt, und setzen Sie Speckknödel und Sauerkraut auf.
Nun gut. Aber wenn ich Ihnen auch in Ansehung der Stücke Recht lassen muß, so ist's doch ganz was anders mit den Schauspielern. Die Gattung Leute wie Sie mir rathen anzunehmen – – –
Müßen überall für die Vortreflichsten gelten, wenn Sie's nur anzustellen wissen. Ist ein Schauspieler den die Leute nicht verstehen können und Ihnen deßhalb Vorwürfe machen, so sagen Sie mit einer Weisheitsmine: es ist ein größerer Denker als Redner, es' steckt viel hinter dem Manne, daher gehört auch viel dazu um ihn gehörig zu beurtheilen. Von einem Sänger, der schlecht singt, sagen Sie: er ist mehr Akteur als Sänger; und von einem Tänzer, der rechte Bocksprünge macht: das ist der wahre Tanz der Alten, der durch unsre heutige Künsteley völlig verloren gegangen, ächte, reine Natur. Ehe die Leute sich für Dummköpfe halten lassen, glauben sie es Ihnen aufs Wort und finden's am Ende selbst vortreflich.
Eben so leicht. Ey! ey! Herr Frank, Sie sind so lange beym Theater, und wissen noch nicht, daß der größte Theil der Zuschauer [6] nicht selbst urtheilt, sondern nur einigen Aristarchen ängstlich aufs Maul sieht um ihnen nachzubeten! Sobald wir hinkommen, so geben Sie 4 - 5 Skriblern frey Entre'e, alle Tage ein gut Souppee, und bey der ersten Aktrice Dejeunee; die werden Ihnen aus dem elendesten Schneidergesellen einen Roscius, aus dem unartigsten Limmel einen Garrik, und aus dem ersten Kuchelmenschen eine Clairon machen. Der Haufe beth das nach, und so haben Sie gewonnen Spiel.
Klimpern gehört zum Handwerk. Auf diese Art ist schon mancher elende Charlatan zum Kapitalisten geworden, und Sie sind nach allen Regeln der Kunst und Rechtschaffenheit –
Auf den Sand gekommen. Es sey, ich will den guten Geschmack, die Chimaire wie Sie es nennen, an Nagel hängen – –
Hier haben Sie einmal die Permißion. Giebt ihm einen großen Brief. Darauf nehmen [7] Sie Geld auf, und verschreiben die Einnahme.
Aber wenn ich nun mit allen Kunstgriffen nichts einnähme? Es ist doch möglich, daß ich ein klüger Publikum fände als ich vermuthe.
Ah – Sie müssen aufs Glück mehr als auf die Möglichkeit rechnen. Das Glück ist eine Vormünderinn der Dummheit, und wenn Sie meinem Rath folgen, opfern Sie der Dummheit mehr, als dem Verstande, mithin haben Sie nichts zu fürchten.
Vorige, Eiler.
Ihr Diener lieber Frank. Sie wundern sich mich hier zu sehen? Ja das glaub' ich gern. Werden sich aber noch mehr wundern, wenn Sie hören werden warum ich hier bin, und Sie aufgesucht habe?
Sollen befriedigt werden. Sie wissen doch von meinem Engagement mit Madame [8] Pfeil? – Ich weis was Sie sagen wollen, weis auch, daß ich ein Narr bin; aber Herr, wie ich klug werden soll, weis ich nicht. Die Liebe kann man nicht so abwerfen wie ein Paar übertragene Schuh; – und eine Theaterliebe hat vollends viel ähnliches mit dem ungrischen Fieber, was nichts als Zeit und Klima kuriren kann. Kurz, Madame hat mit ihrem eigensinnigen Köpfchen den guten Leyermann ruinirt, daß er seine Gesellschaft mußte auseinander gehen lassen. Ich hätte sie freylich gern ohne Engagement unterhalten, aber Sie will nun durchaus spielen; – sie merkt wohl, daß ihre Macht über die Herzen nur vom Theater herabwirkt, mithin krieg ich seit der Zeit keine gute Miene, und um ihr nur die Hand küssen zu dürfen muß ich zuvor erst eine Theaterscene mit ihr spielen. Ich habe mich schon halb dumm gelernt, kann schon aus jedem Ihrer Stücke die Hauptscenen mit ihr spielen; und wenn sie nicht bald Engagement bekommt, kann ich das ganze Repertoir auswendig. Alle Direkteurs, an die ich geschrieben, haben mir abschlägige Antwort gegeben. Ich weiß mir also nicht mehr zu rathen. Zum Glück erfuhr ich, daß Sie wieder eine Gesellschaft errichten wollen, ich bitte [9] Sie also, nehmen Sie sie an, ich will Sie mit Geld unterstützen so viel Sie brauchen.
Lieber Herr Eiler, ich errichte nur eine kleine Gesellschaft und dabei würde mir Madam Pfeil zu theuer seyn.
Ich will ihnen die Gage für sie zahlen, und oben drein tausend Dukaten auf 3 - 4 Jahre ohne Intressen leihen, nehmen Sie sie nur an, damit ich nicht mehr auswendig lernen darf, und andre statt mir die Theaterscenen mit ihr spielen.
Die Vorigen, Madame Pfeil.
Wie Herr Frank? Sie hören daß die grosse Madame Pfeil hier ist und kommen nicht zu mir? suchen mich nicht auf?
[10]Nun haben Sie's ihm schon gesagt? – – Zu Frank. Sie sind in mißlichen Umständen, Herr Frank? ich will Sie herausreißen, will mich bei Ihnen engagiren. Aber alle erste Rollen, von der Subrette bis zur Königinn muß ich bekommen. Was geben Sie mir Gage?
Was! der großen Pfeil nur zehn Thaler! Herr, man sieht's, daß Sie ihren Vortheil nicht verstehn, darum sind Sie auch zu Grunde gegangen. Für meinen Namen allein sollten Sie 10 Thaler geben.
Madame! ich habe alle Achtung für Ihre Bedienste, aber meine Umstände erlauben mir überhaupt nicht, Sie –
Sie müssen die Ehre, daß Sie die ganze Gesellschaft in Leben und Thätigkeit erhalten, und berühmt machen werden, auch in Anschlag bringen.
Nun gut, aus Barmherzigkeit sollen Sie mich für 12 Thaler haben. Von meinen Talenten werden Sie keinen Beweis fordern, das bin ich überzeugt; aber Sie sollen sehen wie weit ich's im Unterrichten gebracht habe. Sie werden erstaunen, was Herr Eiler unter meinen Händen für ein Akteur geworden. Zu Eiler. Kommen Sie, wir wollen die Scene aus dem aufgehetzten Ehemann spielen. Geht etwas zurück.
Gleich! gleich! Geht etwas auf und ab, und setzt sich in den Charakter. »Nun will ich meines Freundes Lehren in Ausübung bringen. Wenn ich nur den Ton recht treffe – – – Ich will anfangs [12] gar nicht thun, als ob ich sie sähe – Wenn sie aber itzt käme – wahrhaftig, das verrückte mir mein ganzes Konzept. – So wahr ich lebe, da ist sie.«
»Sie ließen mir ja den Augenblick sagen, Sie hätten was nothwendiges mit mir zu sprechen? sonst wär' ich wahrhaftig nicht so bald gekommen.«
»Ich glaube mein Seel, ich fange das Ding unrecht an. Es hätte alles wie von ungefehr kommen sollen. Was Henker soll ich ihr nun sagen?« Laut. »Wie gefällt dir mein neues Kleid Schatz? Macht's nicht rechten Staat?«
»Nicht von der Stelle bis Sie meine Frage beantwortet haben. Höflich oder unhöflich, wie's Ihnen beliebt, ich bin auf beides gefaßt.«
»Wissen Sie wohl, daß ich nicht Lust habe eine solche Begegnung länger zu ertragen, und mich wie einen Handschuh aus- und anziehen zu laßen?«
»In Ihr Zimmer! Sogleich! den Augenblick! Und lassen Sie sich das ein für allemal gesagt seyn, nicht wieder in das Zimmer zu kommen, wo ich mich anziehe. Eines Mannes ernsthafte Stunden müssen nicht durch weibliche Unverschämtheiten gestöhrt werden.«
»Solche freche Mienen schicken sich gar nicht für Sie Madame! – – Aber so ein albernes Ding ist meines männlichen Zorns unwerth! – Gehn Sie mit Ihrem Spielwerk, ich will allein seyn.«
»Mannes? Der Himmel behüte jede Frau für so einem Manne! – – Ein Federball schickt sich besser für Sie als eine Frau.«
»Und – Erlauben mir Ew. Naseweisheit Ihnen zu sagen: Eine Puppe schickt sich [15] besser für Sie als ein Mann. – Da haben Sie's wieder.«
»Wo haben Sie gesehen, daß eine Frau Ihrem Manne so begegnet? Der Henker hohle mich, man thäte besser, man würde ein Galerensclave, als daß man sich so ein einfältig Ding an Hals hängt, das zu nichts nütze ist als ein Schnupftuch zu säumen.«
»Und wahrhaftig eine Frau thäte besser, sie würde eine Bänkelsängerinn, als daß sie sich einen solchen Laffen auf den Hals ladet, der Zeitlebens das Schulbuch auf dem Rücken tragen sollte.«
»Mir auch! Ich hätte bedenken sollen, daß man einen Mann so wenig nach dem Augenmaaß beurtheilen kann als einen [16] Schuh; diesen muß man erst anprobiren, jenen kennen lernen.«
»Und ich hätte nicht so einen schlechten Geschmack haben, und meine Frau in der Maske wählen sollen.«
»Mein Gesicht wär' eine Maske? Nein, so laß ich mich nicht schimpfen – Ich will's meinem Papa sagen« – Bey Seite. So hat er noch nie mit mir gesprochen! Er muß von jemand aufgehetzt seyn.
»So recht. Weinen Sie sich hübsch die Augen roth, damit's ihnen Jederman ansieht, daß Sie vor Ihrem Mann im Gericht gestanden, und Sie hübsch über ihn klagen können, wie ein kleines Kind.«
»Itzt weiß ich mir nicht zu rathen. Wenn doch itzt Lord Medway da wäre! Für Thränen hat er mir keine Lection gegeben.«
[17]»Ein verdammter Pfeil! der greift ein! das fällt mir so verteufelt angenehm aufs Herz, daß ich meine ganze Lection vergesse.«
»Nein, nein, das will ich nicht. Das will auch Lord Medway nicht. Ich muß einlenken. Wenn ich nur wüßte wie?« Geht in komischer Unentschlossenheit auf sie zu. »Hilf Himmel, wie barbarisch ist dein Kopf aufgesetzt?«
»So steht er dir gewiß selber nicht mehr an. Denn mein Urtheil hat sonst eben nicht das Glück dir sehr zu gefallen.«
»Ich versichere dich, ich glaube die Frisur steht sehr gut, wenn ich also den [18] Frieseur abschaffe, thu' ich's blos dir zu Gefallen.«
»Ich glaube, ich werfe mit meinem Projekt um! – Standthaft!« Laut. Spöttisch. »Ich kann mirs einbilden! Das ist dein einziges Dichten und Trachten.«
»Nun ich will wahrhaftig diese Freude so lange zu erhalten suchen, als Sie sich nur will halten lassen.«
Vorige, Madame Krone.
Wir wollen gehen. Auf Wiedersehen, Herr Frank. Heimlich zu Frank. Oefnen Sie nur Ihr Theater bald, damit ich [21] ja nicht mehr die Liebhaber Rolle spielen darf.
Der Ruf, daß Sie eine neue Gesellschaft errichten wollen. Ich hoffe, Sie werden mir doch Engagement geben? Sie wissen, daß ich in der hohen Tragödie meines Gleichen suche.
O beste Madame Krone, damit ist's vorbey. Korneille, Racine, Voltäre, diese Väter der ächten Tragödie sind hinter den Ofen geworfen, und ihre Stücke, die wahren Probiersteine tragischer Schauspieler, für unbrauchbar erklärt. Der Shakesparismus hat uns ergriffen, und Helden – und Staatsaktionen sind die Produkte, womit wir jetzt paradiren. Ein Trauerspiel ohne Lustigmacher, ohne Tollhausnarren, Donnerwetter und Gespenster wird für fades Gewäsche erklärt, die Zuschauer gähnen, und die Kasse bleibt leer.
Ja, ja, das haben wir alles erfahren. Ich als lustiger Bedienter, habe eine Schellenkappe aufsetzen, mich als Pickelhäring kleiden, und die Tragödie aufrecht halten müssen. Heimlich [22] zu Frank. Schicken Sie die tragische Prinzeßinn fort.
Das weiß ich leider alles! Aber, Sie hoffte ich nicht so sprechen zu hören, Herr Frank. Ich glaube es kommt immer auf den Direkteur an, sein Publikum zu haben wie er will. Gewöhnt er es an gute Sachen, wird es nichts schlechtes verlangen. Nur muß er ihm nichts auftragen, woran es sich den Geschmack verderben kann; Lieber eine Zeitlang laviren –
Wie die Sache liegt, haben Sie dem Schein nach Recht; aber wer ist Schuld daran? eben Sie und ihre Kollegen. Denn, wären die lustigen Bedienten aus dem Trauerspiel geblieben, so wäre es noch in seinem alten Werth. Doch ich will mich mit Ihnen in keinen Wortwechsel einlassen. Herr Frank, ich habe einen der besten tragischen Schauspieler bey mir, es ist Herr Herz. Wir wollen Ihnen eine Scene aus Bianka Tapello spielen. Urtheilen Sie dann, ob es nicht möglich wäre die reine Empfindung auf dem Theater wieder geltend zu machen.
Vorige, Herz.
Wir wollens versuchen. Ich bin Bianka Capello, Sie Bonaventuri! Sie stellt oder sezt sich in eine schwermüthige Lage.
»O es ist eine feyerliche Nacht Bonaventuri, diese heutige Nacht! – Nicht sowohl ihrer selbst willen – Sie müst'es denn noch werden – als vielmehr ihres Andenkens halber.«
»Was mir wehe genug thut! Man vergißt seinen oder eines Freundes Geburtstag [24] nicht leicht, und sie war einst die Geburtsnacht unser ehelichen Verbindung.«
»Zwey Jahre nun, daß ich mit einem Schauder, der alle Gebeine durchbebte, bey der Rückkehr unsrer zärtlichen Unterredung, die väterliche Hausthüre verschlossen fand – umkehrte – und, du weißt's ja in wessen Arme flog!«
»Und auch wohl nicht reuen darf! Nicht wahr Bonaventuri, du liebst mich noch?« Indem sie seine Hand ergreift.
»Lieber, sprich diese Unwahrheit nicht aus! ich haße jeden Mund, welcher lügt, und den deinigen möcht ich gern ewig lieben und achten zugleich. Sieh, schon wirst du bald roth, bald bleich, schon stammelst du und stockst, und doch hab ich das Wort noch nicht einmal ausgesprochen, was weit mehr deine Farbe wechseln, und dich stammeln machen könnte.«
»Nein Bianka, die Röthe, die du mir vorwirfst, und die ich selbst gar wohl fühle, ist nicht von Scham, sondern von dem Erstaunen erzeugt, daß meine sonst so billig denkende Gattinn endlich auch ein Mährchen glauben kann, das blos müßige Pagen und Jagdjunker sich an irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute welche glauben, man sey verliebt in jede Dame mit der man etwa zweymal an einem Balle tanzt, oder übern an dern Tag je zuweilen zwanzig Worte spricht.«
»Und du beharrst auf deinem Läugnen? Warnung auf Warnung erschüttert dich nicht? Damit bey längern Umschweifen nicht stärkere Schuld des Trugs über dein Haupt komme, so schau her! Wessen ist dies Siegel?« Zeigt ihm einen Brief.
»Gott! wenn es der verloren gegangene Brief, die Ursache von schon mancher meiner Sorgen wäre?« Laut und zitternd. »Es scheint meine Hand zu seyn.«
»Und ist es. Ist dein Brief an ein Weib mit dem nur müssige Pagen und [27] Jagdjunker dich ins Gerede bringen. Bonaventuri! bey dem Allwissenden! nicht meine Mühe, nicht List der Eifersucht verschaffte mir diesen Brief! Bloß der Haß deiner Feinde bracht' ihn in meine Hände, und ich geb ihn dir wieder, wie ich ihn empfieng. Ich dürfte das Siegel nur erbrechen, und ich hätte dann sichre Beweise deiner Untreu tausendfältig; aber nein – –«
»Bianka, Weib ohne Gleichen! Engel der durch Scham mich niederwirft! O wüßtest du was dieser Brief enthält!« Mit dem Ton der Reue. »Welche Vorschläge? welche Hirngespinnste?«
»Mag ich sie doch nicht wissen! Besser freylich, dies Schreiben wäre nie geschrieben, aber da es dies einmal ist, so vergeh' es so«Zerreißt den Brief.
[28]»Edelstes Weib auf Gottes weiter Erde?«Indem er Sie umarmen will, bebt er zurück. »Nein ich bin es nicht werth dich zu berühren!« Er fällt aufs Knie. »nicht werth, ach nicht werth einmal den tiefsten Saum dieser Gewänder – –«
»Bonaventuri! Mann! steh auf!« Sie hebt ihn auf. »Fliegst du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zartlichkeit in meine Arme; O so haben diese Arme nie dich zärtlicher umschlungen.« Sieht ihn mit liebvollem Drohen an. »Böser, lieber böser Mann! wie viel opfert' ich dir nicht auf?«
»Ja wohl viel! Vaterland, Eltern, Wohlstand, Rang und Sicherheit gabst du hin, um Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu theilen. Und ich – ich –«
»Guter Bonaventuri! alles was du so eben nanntest, klingt freylich rauh; ertrug sich freylich ehemals hart, aber doch war es mir nicht so schwer, als mein jetziges Loos.«
»Das peinlichste, was sie jemals hatte. Ja, Bonaventuri! es ist unumgänglich nöthig, daß ich endlich einen Schleyer dir vom Auge reiße; bey dem ichs kaum begreiffe, wie er nicht schon längst dir von selbst entsank.« Mit schnell starrwerdendem Blick. »Oder wär es vielleicht schon geschehen? und du hättest nur aus Kaltsinn oder Staatsklugheit geschwiegen? Schande! unauslöschliche Schande über dir, wenn dem so wäre!«
»Das erste, das einzigemal daß eine Blindheit von dir mir lieb ist, wenigstens lieber als ein vorsetzliches Uebersehen. – So wiße dann: eben die geringfügigen Reize, die einst das Glück dich zu besiegen hatten, haben auch schon seit geraumer Zeit das Unglück gehabt, die Begierden unsers Herzogs zu reizen.«
»Zwar wer müßte dich nicht lieben, Engel in Weibsgestalt.« Sein Haupt auf seine Hand stützend. »Er dich lieben! dich? Wie so natürlich, und doch wie so schrecklich für mich!« [30] Sich vor die Stirne schlagend. »Ha! nun bebegrief ich alles! nur das nicht, daß ichs nicht eher greif! Aber woher weißt du es? vonhim selbst?«
»Von ihm selbst! Ließ diesen Brief. In ihm, wie du siehst, beut er alles auf, was er für fähig hält, meine Tugend zu erschüttern; läßt mir von allem die Wahl sobald ich ihn zu wählen mich entschlüße; Wahl, ob ich verstohlener Liebe fröhnen, oder als erklärte Günstlinginn mit meiner Schande prahlen wolle. Der Arme, er ahndet nicht das Blut einer venetianischen Edeltochter, nicht das Blut einer Kapello in mir. – Auch stellt ers ganz auf meinen Ausspruch, ob er dich höher heben, oder tiefer stürzen soll, als du jemals standest. – Ob ich die Buhlschafft mit Kaßandern an dir bestrafen, oder nur durch gleiche mit ihm vergelten wolle. – Dieß sein Brief, den ich vorgestern erhielt! Begreifst du nun, warum ich gestern bei seinem Jagdmahle durchaus mich zu erscheinen weigerte? Warum er, deinem eigenen Ausdrucke nach, sich so zweydeutig gegen dich betrug? Begreifst du's nun?«
»Ach ich begreife nur allzuviel, gleiche ganz dem Unglücklichen, den unbekannte Räuber mit verbundenen Augen in ihre Mörderhöhle geschleppt haben; und dem itzt eine mitleidige [31] Hand den Verband wegnimmt. Er steht zwar nun wieder, aber was er sieht, sind Bilder des Schreckens.«
»So will ich dir von einer andern Seite her die reizenden Aussichten einer sichern, sich gnügsamen Liebe zeigen. Bonaventuri! Mann meines Herzens, gedenk an jene Zeiten unsrer Armuth. Waren sie, trotz unsrer Armuth, nicht die Zeiten unsers Glücks? Spendete nicht eben damals das Schicksal gegen uns seine größten Schätze, da es mit uns zu kargen schien? O Lieber, wir, nur wir allein können reich und arm, beglückt und unbeglückt uns machen; machen daß uns eine Hütte zur Welt, und eine Welt, zur Hütte wird. Laß uns jenes thun, da es noch hoch am Tage ist.«
»Kurzsichtiger! fragst du noch? Wir flohen aus Venedig über hohe Gebürge, ohne Geld und Schutz, als wir Verfolgung besorgten, müßen wir denn Nun hier bleiben, wo sie wirklich schon da ist?«
»Meine Theure! weder die Furcht der Armuth noch selbst des Todes soll mich von einer Flucht an deiner Seite abhalten. Aber nur eine Furcht, die Furcht der Schande wünscht' ich nicht mitzunehmen, [32] und eben ihrentwegen glaub' ich, daß wir nicht ganz so eilen können, wie wir wünschen.«
»Du weißt, daß des Herzogs anscheinende Großmuth mir eine Menge Geschäfte von größter Wichtigkeit anvertrauet hat; itzt fliehn, eh sie vollendet worden, schiene treulos gehandelt; gäbe unsern Feinden ein zweyschneidiges Schwert in die Hand.«
»Schiene treulos gehandelt! und warten bis sie geendet, scheint sehr unklug oder vielleicht sehr unmöglich. Ich bürge für meine Standhaftigkeit. Aber Mann mit der wachsweichen Seele, wer bürgt dir für dich selbst?« Will fort.
»Laß mich auf einige Minuten allein; du kennst die Art meines Grams. Auch habe ich dir ja wohl Stof genug zur Unterhaltung mit dir selbst gegeben.« Zeigt das die Scene vorbey sey.
Vortreflich! Ja wohl Madame sind solche Schauspieler fähig die reine Empfindung auf dem Theater wieder geltend zu machen. Wollen Sie bey mir bleiben? Zu Herz. Auch Sie? so schätz ich mich glücklich. Aber mehr [33] als vierzehn Thaler die Woche kann ich jedem von nen nicht geben.
Die Vorigen, Madame Vogelsang.
Herr Frank, da machen Sie eine acquisition.Etwas heimlich auf Madame Krone deudent. Wenn Madame das Publikum mit lauter Empfindung eingewiegt hat, wekt die es wieder auf. Ich will Ihnen gleich eine Probe machen. Zu Madame Vogelsang. Madame! wißen Sie [34] noch die Scene aus der galanten Bäurinn, die wir so oft zusammen gespielt haben?
Was sollt' ich nicht! Es ist ja eine meiner Lieblingsscenen, meine Hauptscene; ist ja auf mich geschrieben worden.
Nun so bitten wir um Platz. Madame Krone, Frank und Herz treten zurück. »Guten Morgen Röschen! Wohin so früh?«
»Ja schau mein lieber Michel, man muß weiter hinaus denken, als auf heute und morgen. Ich habe nichts und [35] du hast nicht viel, was kommt da heraus? Siebzehn Jahr bin ich auch erst alt, und wenn man gar so jung heurathet, wird man gar geschwind alt, hab ich gehört.«
»Ganz natürlich! Wenn man ein wenig weiter gegukt hat als in seine Schüßel, so sieht man ja, daß das Geld heut zu Tage das nothwendigste Hausgeräthe ist, und wenn man das nun nicht hat, so muß man sich doch erst darum umsehn.«
»Nun, und wie willst du denn das anstellen? Sag einem doch auch ein bischen was, vielleicht lernt man noch ein und anders.«
»Du darfst weiter nicht spitzig thun, es hat alles seine gute Richtigkeit. Schau, da hab ich einen Korb Aepfel?«
»Gar nicht Herr Michel. Nu – die Aepfel trag ich zu der alten Anne Bruder, der ist fürstlicher Gärtner – –«
»Plump mir nur nicht drein. Da hab ich auch ein Briefchen an ihn, wo sie mich ihm recommandirt, damit er mich bey sich behält. Der hat nun das ganze Jahr hindurch eine Menge Pomeranzen und Pfirschen. Er giebt mir also alle Tage ein Körbel voll zu verkaufen. Die trag ich in der Früh aus, in die Kanzeleyen, auf die Reitschule, und was mir noch übrig bleibt, gegen Mittag zu den vornehmen Herren, wenn sie Ballen spielen. Nun, mit einem hübschen Mädel handeln solche Leute nicht: jeder giebt mir was ich fodre, mancher schenkt mir wohl gar noch was dazu. Da kann ich mir also leicht in einem Vormittage ein paar Gulden verdienen.«
»Rümpf du nur die Nase, ich weiß schon, was ich zu thun habe. Wenn mir einer sagt, ich soll ihm Pomeranzen ins Haus bringen, so versprech ich ihms wohl, weil er mir desto mehr zahlt, aber ich finds Haus nicht, und so behalt' ich lange eine gute Kundschafft an ihm.«
»Das geschieht nun alles Vormittag. Nachmittag lern ich Näh'n, Putzmachen und Friesieren. In einem Jahr bin ich fertig, da leg ich denn mein Bauerngewandel ab, kleid mich nach der Mode, und komm zu einer Gräfinn als Kammerjungfer.«
»Und da fährst du also mit Kutsch und Pferden? Richtig, mit der Bagage, wenn die Herrschaft auf die Güter fährt.«
»Nein Herr Michel, ich sitz bey der Gräfinn in der Kutsche. Das ist aber alles noch nicht, was ich meyne.«
»Nun hat mich gleich alles im Hauß zum freßen lieb. Der junge Graf streicht mir erschrecklich nach; aber den laß ich ablaufen, damit ichs mit der alten Gräfinn nicht verderbe.«
»Aber mit dem Hofmeister von der jungen Herrschaft geb ichs ein bischen gelinder. Der kann Musik und lernt mich singen, damit ich also seine Kundschaft nicht verliere, laß ich ihn hoffen, daß ich ihn heurathen werde.«
»In zwey Jahren kann ich singen wie eine Nachtigall, da komm ich auf die Komödie als Sängerinn, und krieg's Jahr tausend Dukaten.«
»Auf die Komödie! O liebes Röschen, was fängst du an? Weist du nicht, daß die Leute nicht seelig werden?«
»Das glaub ich, du bist auch noch nicht dort gewesen. Nun ists gar aus; itzt verliebt sich die ganze Welt in mich; [39] ich schick' aber alle spatzieren, ich weiß schon auf wen ich warte.«
»Auf einen alten Kavalier. Den laß ich mir an die linke Hand antrauen; in einem Monath stirbt er, und vermacht mir eine Herrschaft, die mir des Jahrs hundert tausend Gulden einträgt.«
»Ach liebe gnädige Frau, ich werds schon lernen, wenn ich nur einmal Verwalter bin. Und mit ihrem Mann werden Sie's ja auch nicht so genau nehmen.« Will sie umarmen.
»Ja ja, wenns nur alles so gienge! Aber sag mir nur Röschen (denn jetzt bist doch noch keine Dame) woher hast du denn das Zeug alles?«
»Von der alten Anne. Du weist, die hat viel gesehn, da hat sie mir denn immer so erzählt; und ich hab mir das so zusammen buchstabirt.«
»Schau Röse, ich hätte nichts dagegen. Aber, wenn nun alles so gienge, wie du sagst, wie käm' denn ich hernach an dich?«
»Das will ich dir gleich sagen: du gehst itzt mit mir in die Stadt. Annens Bruder muß dich in ein groß Haus als Kucheltrager bringen; tragen kannst du, das weiß ich; nun da lernst du daneben schreiben und lesen. In ein paar Jahren wirst du Kuchelinspektor. Nun legst du dir was auf die Seite; hernach wirsst du irgend einem Hofrath was ins Maul, der bringt dich zu einer rechten großen Herrschaft als Hofmeister. Itzt hast du schon gewonnen. Denn in der Zeit bin ich [41] schon auf der Komödie; ich geb dir mein Erübrigtes, du legst deine Sporteln dazu und leibst aus. Zwanzig vom hundert sagt die alte Anne wär' immer noch christlich. Das häuft sich nun von Tag zu Tag. Endlich braucht dein Graf ein funfzig taufend Gulden, die leihst du ihm, und er verschreibt dir seine Herrschaft. Du giebst ihm jährlich zehn tausend Gulden, und wenn er stirbt, gehört alles dein. Itzt ist gerade mein Kavalier auch gestorben. Du wirst ein Herr Von, und wir heurathen uns.«
»Ah! Rubenfikerment! Ich ein Herr Von! Nun Röse, du sollst sehn, wie ich mich patzen will. Ich will dir gewiß meinen Herrn Von vorstellen trotz einem. Da hast meine Hand drauf, ich geh mit dir, verkauf meine Wirthschaft, und werd ein Kucheltrager.«
»Aber Michel, daß du nur gescheit bist. Das erste Jahr können wir noch zusammen kommen, aber hernach müssen wir thun als ob wir uns nicht kennten.«
»Nur heimlich; das werden wir schon ausmachen, bis du Herr Von bist und ich Wittwe; hernach gehts schon.«
[42]»Und was unterdessen vorfällt? – – Nun, geht eins mit dem andern auf.« Er nimmt sie in Arm und kehrt sich gegen die Anwesenden. Nun Herr Frank?
Madame, Sie werden erlauben – es ist immer schwerer das Publikum mit Anstand lachen zu machen als Thränen zu erregen. Ueber das ist auch eine komische Aktrice immer brauchbarer als eine bloß tragische.
Da haben wirs, die Gesellschaft ist noch nicht beysammen, und die Uneinigkeit herrscht schon in vollem Maaß.
Warum sind Sie mit der Gage gestiegen. Sie treiben Sie noch auf zwanzig Thaler hinauf, wenn Sie nicht fest halten.
Frank, Puf, Herr und Madame Herz.
Hier hab ich das Vergnügen Ihnen meine Frau vorzustellen. Sie ist bereit Ihnen mit einer kleinen Arie eine Probe von Ihrer Stimme zu geben.
Göttlich! unvergleichlich! ich bin Ihnen für das Vergnügen unendlich verbunden, Madame! Er küßt Madame Herz die Hand.
Um Vergebung Herr Frank, Sie bewundern zu lebhaft! Ich mag das nicht gern leiden. Sie sind also mit dem Talent meiner Frau zufrieden?
Nun denn, so werden Sie auch unsre Foderung nicht zu hoch finden. Sie geben meiner Frau sechzehn Thaler die Woche, und mir, weil ichs schon eingegangen bin, vierzehn.
Die Vorigen, Mademoiselle Silberklang.
Ihre Dienerinn Herr Frank. Sie errichten, wie ich höre, eine deutsche Oper? Ich will [45] mich also bey Ihnen als Sängerinn melden. Ich bin Mademoiselle Silberklang, Sie müssen mich ohne Zweifel per ronommée kennen – Weil der Ruf aber oft betrüglich ist, so will ich Ihnen ein kleines Rondeau singen, damit Sie selbst urtheilen können.
Bravo! Bravo! Zwey so vortrefliche Sängerinnen müssen meiner Gesellschaft einen besondern Werth geben. Wenn Sie um Sechzehn Thaler bey mir bleiben wollen – –
Vorige, Madame und Herr Vogelsang.
Willkommen, willkommen. O nun hab' ich ja schon eine Oper beysammen. Nur Einigkeit bitt ich, meine Kinder.
Ueber mich werden Sie deshalb nicht klagen können, ich bin das beste Mädchen, ich thue alles, was man will. Sagen Sie mir, wie viel hat Madame Auf Madame Herz zeigend. Gage?
Die Vorigen, Eiler, Madame Pfeil und Madame Krone.
Was hab ich gehört, Herr Frank, Sie geben andern sechzehn Thaler, und mir nur zwölfe? da wird nichts draus. Ich muß die höchste Gagehaben; denn ich bin in allen Fächern zu brauchen.
Nun so wäre alles wieder in Ruhe. Bey Seite. Bis es wieder ausbricht. Herr Frank, ich wünsche Ihnen Glück zu ihrer Gesellschaft. Ich fürchte nichts – als daß sie lauter erste Aktrisen und erste Sängerinnen haben.