[134] 8. Urteil sonder Verstand

1.
Pöfel/ was soll das bedeuten/
daß du so Zelinden lobst/
daß du mit den tummen Leuten
wieder meine Schönheit tobst?
Lange Finger/ weisse Hände/
Augen/ als ein Demant-stein/
göldne Lokken/ Armen Bände/
wie der Venus ihre sein.
2.
Rosen-Wangen/ die Rubinen
ihre blässe werffen vor/
Lippen/ würdig zubedienen
von dem ganzen Sternen-Chor:
Rede so die Pallas heget/
Freundligkeit der Charitinn/
Tugend/ so Alzesten schläget/
Ikars Tochter keuscher Sinn:
3.
Pöfel/ kanstu so beschreiben
deine Larve/ wie ich tuh'?
als du wilst die Warheit treiben/
und nicht stimmst dem Scheine zu:
dürffstu diß nicht von Zelinden/
dem Tebaner Wunderthier/
dich zu rühmen unterwinden/
die nur Schminke trägt an ihr.
4.
Aller Tugend Bild/ Rosille
aller Schönheit Trozz und Schimpff/
[135]
meine Fromme/ meine Stille
nimt zwar dieses an im Glimpff'
Aber ich wil sie beschüzzen
weil die kluge Dinte fleußt:
meine Feder soll sie stüzzen/
weil sie Lob und Ehre preist.
5.
Diß sey dir zum Ruhm gesezzet/
Rosilis/ mein schönstes Pfand.
Lach es/ was der Neid verlezzet/
durch den groben Unverstand.
Sollt' Itonis auff der Erden
in Astarten Schönheit stehn:
müste sie getadelt werden
und durch Pöfels Rachen gehn.

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TextGrid Repository (2012). Stieler, Kaspar. Gedichte. Die geharnschte Venus. Filidors Geharnschter Venus sechstes Zehen. 8. Urteil sonder Verstand. 8. Urteil sonder Verstand. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-16CE-3