[47] 16. Der Abend
An Miller.
März 1774.
Wenn der Abend den See rötet, sich hangende
Buchen spiegeln im See, und das bewegte Schilf,
Und der einsame Nachen
Und das trinkende Wollenvieh:
Ruhe senket sich dann nieder auf tauenden
Lüften, kühlet den Wald, tränket die Blumenau,
Stimmt den singenden Landmann,
Und der flötenden Nachtigall
Liebeweindes Lied; Wonne, der thräneden
Wehmut Schwester, und du, süße Vergessenheit
Jedes rauschenden Taumels,
Überfließen die Seele mir.
Wankend irr' ich umher unter den duftenden
Erlen; jeglichen Busch, jeden Bewohner des
Busches grüßet des frohen
Auges schwimmende Zärtlichkeit.
Auch das Blümchen, der Wurm, welcher das Blümchen beugt,
Ist mir inniglich wert; gab ihm mein Vater doch
Seinen goldenen Schimmer,
Düfte jener und Farbenglanz.
Lieblich lächelt der Mond! lieblich der Abendstern!
Freund, sie lächelten uns weiland am Ufer der
Leine, uns in der Laube,
Uns im Thale des Silberquells!
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Miller, trübt sich dein Blick? Miller, mein weinendes
Auge trübt sich in Nacht, welche kein freundlicher
Mond mit Silber durchschimmert,
Kein sanftlächelnder Abendstern!