[265] Aus Liebesleid

Die innre Glut macht zeitig alt,
Meine Stirne wird schon faltig;
Du aber göttliche Gestalt
Bist ewig lichtgestaltig.
Daß ich Dir nie gefallen mag,
Mein Herz beginnt's zu ahnen,
Was soll der süße Rosenhag
Auf rauchenden Vulkanen?
Es macht Dich scheu die düstre Kraft,
Die meinem Aug' entfunkelt,
Wenn mir das Deine märchenhaft
Aus schattigen Wimpern dunkelt.
Es macht Dich scheu der wilde Strom,
Den meine Lippe flutet,
Wenn jedes innerste Atom
Verborgen zuckt und blutet.
Recht hast Du! ich verdiene nicht
Dein keusches Bild zu hegen;
In meinem Feuer ist kein Licht,
In meiner Kraft kein Segen.
Ein wilder Wandrer ist mein Herz,
Den niemand liebt und achtet,
Bis er allein mit seinem Schmerz
In Finsternis verschmachtet.
Und dennoch! hättest Du gewollt!
O reizendes Erinnern.
Mir wäre dann so wild gerollt
Der Strom in meinem Innern,
Sein Ufer wäre ein Smaragd
Und seine Flut kristallen,
Er ließe Lieder stolz beflaggt
Nach ewigen Meeren wallen.
[266]
Dahin, dahin! es ist vorbei!
Ich soll nicht mehr genesen
Und jede edle Schwärmerei
Ist knabenhaft gewesen.
Doch wenn dies Herz in Asche stiebt
Mit seinem letzten Liede,
So denk': »Er hat mich sehr geliebt.
Gott schenk' ihm endlich Friede!«

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TextGrid Repository (2012). Strachwitz, Moritz von. Gedichte. Aus dem Nachlaß. Aus reiferer Zeit. Aus Liebesleid. [Die innre Glut macht zeitig alt]. [Die innre Glut macht zeitig alt]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1FBB-1