[32] Ein Faustschlag

König Helge war ein alter Held,
Der hatte sein Schwert zur Ruh' gestellt.
Den Panzer er in die Halle hing,
Der Spinne Geweb' den Helm umfing.
Sein schwarzes Schiff die Bucht umschloß,
Auf der Weide trabte sein weißes Roß.
Er waltete gut und herrschte gerecht,
Wog strenges Maß für Fürst und Knecht.
Das frommte Landen und Leuten baß,
Auf Norwegs Felsen wuchs Korn und Gras.
Den Pflug hinschleppte des Stieres Mut;
Der Kaufmann pflügte die blaue Flut.
Aufstiegen Städte aus wüstem Moor,
Und Freya herrschte für Aukathor.
Der Bauer, der lebte frei und froh,
Das wollten die trotzigen Jarls nicht so.
Sie ritten zu Hauf', wohl dreißig und mehr,
In des Königs Halle: da traten sie her;
Da traten sie her, in Erz und Stahl,
Vom Sporenklange dröhnte der Saal.
Jarl Irold vor den König schritt,
Hoch war sein Helmbusch und keck sein Tritt.
Sein Schwert an den Boden er rasselnd stieß,
Sein Wort er zornig erschallen ließ:
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»Wir wollen nicht sitzen und Spindeln drehn,
Mit dem Normannsschwerte nicht Hafer mähn.
Wir wollen furchen, wie Harald tat,
Mit dem schwarzen Segler den feuchten Pfad.
Wir wollen tragen, wie Rollo trug,
Auf Südlands Acker den Nordlandspflug.
Wir sind des Königs müd' und satt,
Der immer das Schwert in der Scheide hat.
Wir sind des Königs satt und müd',
Der Unkraut jätet und Rüben zieht.
Und wer will zähmen des Normanns Blut,
Der halte das Schwert und halt' es gut!«
Jarl Irold sprach's; der König schwieg,
Auf der Stirn ihm grimmig die Ader stieg;
Aus den Augen fuhr's ihm, wie Blitz und Flamm',
Die Brust ward voll, die Faust ward stramm.
Aus dem Sessel sprang er, der krachend brach;
Wie dumpfer Donner er also sprach:
»Mein Aug' ist trüb', mein Haupt ist kahl,
Am Nagel rostet mein guter Stahl.
Und tragt nach dem Schwert Ihr so heißen Trieb,
So nehmt für heut mit der Faust vorlieb.«
Der König sprach es und macht' es kurz:
Er hieb den Jarl auf den Helmessturz.
Er hieb einen Streich, einen Heldenstreich,
Daß Helm und Schädel zerbarst sogleich.
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Einkrachte vom Hiebe Schlaf und Stirn,
Aufspritzte vom Hiebe Blut und Hirn.
Auf den hallenden Boden der Jarl sank hin;
Da brach den andern der trotzige Sinn.
Sie warfen aufs Knie sich Mann an Mann,
Wollt' keiner proben die Faust fortan.

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TextGrid Repository (2012). Strachwitz, Moritz von. Gedichte. Lieder eines Erwachenden. Romanzen und Märchen. Ein Faustschlag. Ein Faustschlag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2028-4