174.

Wenn der Lebende ein Versprechen gab und nicht erfüllte, namentlich zu kirchlichen oder Wohltätigkeitszwecken geleistete Gelübde ungelöst ließ, überhaupt geizig war und keine Almosen spendete, so kehrt er wieder und sucht lebende Freunde und Verwandte zur Erfüllung zu veranlassen. Das Versprechen, nach dem Tode einem Freunde zu erscheinen, muß gleichfalls erfüllt werden. Beispiele zu dem ersten Satze siehe 182 a-c, g-i, l.

a.

Zwei Freundinnen in Löningen hatten sich gegenseitig versprochen, wer von ihnen zuerst sterbe, solle der anderen erscheinen und von ihrem Lose im Jenseits Nachricht geben. Als nun die eine gestorben war, erschien sie der anderen mittags, als diese gerade beim Buttern war, und sagte: »Ich habe noch vieles abzubüßen, und lachen und weich liegen wird oben für die größte Sünde gehalten.« Dann verschwand sie.

b.

Zwei Arbeiter, welche zusammen nach Holland zum Grasmähen gingen, waren sehr gute Freunde und arbeiteten viele Jahre zusammen, ohne je Streit zu bekommen. Diese gaben sich das Versprechen, wer von ihnen zuerst stürbe, solle wieder kommen und dem anderen Nachricht geben, wie es ihm in jener Welt gehe. Als sie nun einst wieder im Frühjahr nach Holland reisen wollten, wurde der eine Tages vorher krank, so daß er nicht mitgehen konnte und der andere allein ziehen und sich einen neuen Kameraden suchen mußte. Als der abgereiste etwa vierzehn Tage in Holland gewesen war und eines Morgens aus der Scheune trat, wo er des Nachts geschlafen, [211] kam sein alter Freund, welchen er krank zurückgelassen hatte, ganz rüstig daher geschritten. Er rief aus: »Wo kommst du her, bist du wieder gesund, daß du nachkommst?« Darauf sagte jener, er sei tot und komme, weil er es so fest versprochen habe; es solle aber doch kein Mensch ein solches Versprechen geben, denn wenn es versprochen, müsse es auch gehalten werden, und es falle doch so schwer, wieder zu kommen. Es gehe ihm sonst gut, aber sein Freund möge doch, wenn er wieder nach Hause komme, sich seiner Kinder annehmen, daß sie gut blieben; damit habe er es zu leicht genommen und müsse dafür noch eine Zeit lang Strafe leiden. Auch möge der Freund seiner Witwe sagen, daß sie doch strenge auf ihre Kinder achte. Und damit war er verschwunden. (Visbek.)


Vgl. 179 f, p, 208, d, e.


Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 174. [Wenn der Lebende ein Versprechen gab und nicht erfüllte, namentlich]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-26B5-9