183.

Verdammt sind vorzugsweise die Wiedergänger, welche ein schweres Verbrechen begangen haben, die Mörder, die von Gott zum Teufel abgefallenen, die Meineidigen. Weil sie verdammt sind, ist alles Christliche ihnen verhaßt und unerträglich. Sie entfliehen vor dem Namen Gottes, vor dem Kreuzzeszeichen, vor dem Weihwasser, vor den Segnungen frommer Priester, aber nicht vor dem eigentlichen Gebete, das sie vielmehr anzieht, während ein Fluch sie vertreibt. In allen diesen Dingen gleichen die Verdammten den Teufeln. Verdammte Wiedergänger sucht man aus der Nähe der Menschen weg und in die abgelegene Heide oder in einsame Wälder zu bannen. Dies Wegbannen ist eine Kunst der Geistlichen, und zwar stehen die katholischen Geistlichen entschieden, auch in protestantischen Gegenden, im Rufe der stärkeren Kunst; namentlich waren die »Paters« des ehemaligen Klosters zu Vechta weit und breit als tüchtige Geisterbanner berühmt. Die Geister wehren sich nach Kräften gegen die Bannsprüche und wissen nicht selten die Priester durch Vorhalt begangener Sünden zurückzuschlagen, endlich aber finden sie doch einen zu starken Gegner. Dann werden sie auf einem Wagen, mitunter in ein Tuch, einen Mantel, einen Sack eingehüllt, fortgefahren, machen sich dabei aber so schwer, daß zwei Pferde selten genügen, und selbst vier oder sechs ihre Not haben, den Wagen an Ort und Stelle zu schaffen. Am Ziel der Reise pflegt ein neuer Kampf oder neue Unterhandlung zu beginnen. Die Geister verlangen, daß ihnen eine Aufgabe gestellt werde, nach deren Lösung sie frei sein wollen, und erreichen manchmal wenigstens, daß sie nach der Lösung, etwa alle Jahr, einen Hahnenschritt ihrer alten Spukstätte näher kommen dürfen. Das zählen der Heide oder der Sandkörner, das Ausschöpfen eines Gewässers mit einem Eimer ohne Boden u. dgl. sind die gewöhnlichen Aufgaben. Mitunter geschieht es, daß der Geistliche eine Aufgabe stellt, die er für unlösbar hält, die aber durch Zufall oder die unerwartete Schnelligkeit des Wiedergängers dennoch gelöst wird. Wenn infolgedessen oder infolge des allmählichen Vorrückens der Wiedergänger frei wird, so nimmt er von seinem alten Spukorte wieder Besitz, oder es geschieht sonst etwas Absonderliches. Dem ersteren suchen die Bewohner eines Spukhauses wohl dadurch vorzubeugen, [253] daß sie ihr Haus abbrechen und an einer neuen Stelle wieder aufbauen.

a.

Auf einer Bauernstelle zu Emstek waren die Eltern gestorben und hatten außer einer Tochter zwei Söhne hinterlassen, von denen der jüngere verheiratet war und immer auf der Stelle gewohnt hatte, sie auch gern behalten wollte; der andere aber war schon ziemlich alt, unverheiratet und sehr reich. Als sie nun nach Cloppenburg gingen, um auf dem Amte die Teilung der Erbschaft zustande zu bringen, machte der verheiratete durch List den anderen betrunken, und wußte es dann so zu drehen, daß er das Gut behielt. In der Folgezeit gab es fortwährend Streit, und die Schwester hielt es mit dem jüngeren. Verdruß und anderes brachten es so weit, daß der unverheiratete sich eines Morgens im Bette erhängte. Aber er hatte keine Ruhe im Grabe und zeigte sich abends immer in der Scheune. Wenn die Knechte den Pferden ihr Abendfutter gaben, reichte er ihnen das Futter fast in die Hand; wenn sie beim Mistfahren waren, setzte er sich hinten auf den Wagen; kurz es wurde zuletzt so schlimm, daß die Knechte ihren Dienst verlassen wollten. Man ging daher zum Pastor, und dieser sagte, daß des Selbstmörders Zeit noch nicht abgelaufen sei und derselbe solange wandern müsse, bis die Zeit verstrichen; doch wolle er sehen, ob er ihn nicht in seinen Fuhrenkamp bringen könne; ganz von seinen Gründen weg ihn zu bannen, sei nicht möglich. Das tat der Pastor denn auch, und seitdem spukt der Selbstmörder in und bei seinem Fuhrenkamp und hat schon viele Leute erschreckt und verfolgt; wenn sie aber die Grenze der Stelle überschritten, blieb er zurück.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Fünfter Abschnitt. 183. [Verdammt sind vorzugsweise die Wiedergänger, welche ein schweres]. a. [Auf einer Bauernstelle zu Emstek waren die Eltern gestorben und]. a. [Auf einer Bauernstelle zu Emstek waren die Eltern gestorben und]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2C61-F