210.

Die Mittel, welche die Hexen anwenden, um anderen Leuten Böses zuzufügen, sind mannigfaltiger Art. Vorherrschend aber sind die sympathetischen, und meist bedarf es nur irgend einer Anknüpfung der losesten Art zwischen der Hexe und dem Gegenstande ihres Hasses, um diesem Unheil zu bringen. Oftmals genügt dazu der bloße Blick der Hexe. Der »böse Blick« ist nicht immer freiwilliger Zauber, sondern mitunter auch eine unselige Eigenschaft guter Menschen. Die Hexen aber üben das »Entsehen« oder »Schieren!« 1 absichtlich und können damit Menschen und Tieren schwere Krankheit und selbst den Tod antun oder sonst Unfug stiften. Darum hütet man sich, es mit fremden alten Frauen oder gar mit schon verdächtigen, die etwa bettelnd ins Haus kommen, zu verderben. Darum sucht man aber auch zu verhindern, daß unbekannte Leute die Schweine ansehen, daß verdächtige Frauen bei den Kühen vorbeigehen (Butjadgn.), setzt Kälber nicht gern jedermanns Blicken aus, läßt die neugeborenen die erste Zeit nicht gern aus dem Stalle (Münsterld.), treibt ein gekauftes Kalb am liebsten abends nach Hause (Butjadgn.), deckt ein Ferkel mit einem Tuche zu, wenn eine verdächtige Person sich nähert (Rastede), baut keine Schweineställe an öffentlichen Wegen.

[372] Eine Frau wollte nie zulassen, daß bettelnde Weibe oder solche, die Zwirn, Seife usw. anboten, sich an die kleinen Kinder heranmachten, um sie zu liebkosen, oder daß sie in die Ställe guckten nach den Kälbern oder Ferkeln. An verschiedenen Orten war es noch jüngst so leicht, in den Verdacht des »bösen Blickes« zu kommen, daß Frauen in Nachbar- und Freundeshäusern gar nicht an die Ställe, wenn man ihnen die Tiere zeigen wollte, heran wollten, allein aus dem Grunde, um nicht als Zauberer oder Hexen angesehen zu werden, falls mal die Tiere krank werden sollten. Gingen sie notgedrungen dennoch hin, so sagten sie, sobald sie der Ferkel oder Kälber ansichtig wurden: Gott segne, welch schönes Kalb, Ferkel usw. und glaubten, nach diesem Segenswunsche könne sie ein böser Verdacht nicht mehr treffen (Altenoythe).

Der Glaube an Leute mit bösem Blick ist alt und herrscht in der ganzen Welt. Blaues Auge, böses Auge, sagt der Orientale und sucht sich durch Amulette zu schützen. Kindern und Tieren werden am Halse blaue Perlen angebracht. 1609 wird aus Elsfleth berichtet, Gesche Sambsons sei in Haft gewesen, weil sie einem Kirchgeschworenen gedroht, wenn er sie pfände, wolle sie machen, daß er kein Kalb solle aufziehen. Um 1660 wird aus der Marsch gemeldet, »wenn etwa ein Vieh oder Pferd krank werde, fielen die Leute auf den Argwohn, als sei es von bösen Augen geschehen und ließen alsdann von Totschlägern das Handwasser, darinnen der Scharfrichter die Hände gewaschen, fordern.« (Schauenburg a.a.O. IV. S. 124.) Wenn Kinder auffällig viel weinten und der Verdacht bestand, ein böser Blick habe es den Kleinen angetan, wurde von Kundigen der Rat gegeben, diejenige Frau, welche zuerst ins Haus käme, um etwas zu leihen, hinauszujagen, dann werde es besser werden, denn diese Person habe es den Kindern angetan.

Fußnoten

1 Schieren heißt nicht nur das Zaubern mittelst des Blickes, sondern auch das Untersuchen von Eiern auf Fruchtbarkeit dadurch, daß man sie gegen die Sonne hält und hindurchsieht. Vielleicht heißt es: mittelst des Blickes in den innersten Kern einer Sache eindringen.

a.

Ein Kind, das durch ein altes Weib krank gemacht war, war durch Gegenmittel, die man von einer klugen Frau in Bremen geholt hatte, wieder gesund geworden. Zufällig begegnete es aber einmal dem alten Weibe auf der Straße, und von dem Augenblicke an war auch das alte Leiden wieder da. (Brake.)

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Achter Abschnitt. C. Hexen. 210. [Die Mittel, welche die Hexen anwenden, um anderen Leuten Böses]. a. [Ein Kind, das durch ein altes Weib krank gemacht war, war durch]. a. [Ein Kind, das durch ein altes Weib krank gemacht war, war durch]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-30CF-D