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In der Bauerschaft Neuenwege, Ksp. Varel, nahe an der Oldenburger Chaussee liegt ein ziemlich hoher Sandhügel, der Rapelsberg genannt. Vor Zeiten, als auf der Wapel noch Schiffe bis Conneforde fahren konnten, hauste in einer Höhle jenes Berges, die mit einem großen Steine verschlossen war, ein Riese namens Rapel, der nur von Mord und Raub lebte, die ganze Umgegend unsicher machte und selbst die Schiffe auf der nahe vorbeifließenden Wapel plünderte. Von seiner Höhle aus hatte er einen Faden über die Landstraße gezogen, und jedesmal, wenn ein Reisender den Faden berührte, erklang in der Höhle eine Klingel, welche an dem Faden befestigt war, und der Riese eilte hinaus und erschlug und beraubte den Reisenden. Die getöteten Menschen fraß er auf und bewahrte die Knochen in seiner Höhle. So viel Menschen auch verschwunden, so viel Güter geraubt waren, so wußte doch niemand, wo der Räuber sich aufhielt. Wenn er zu Pferde ausritt, so verwirrte er die Spuren, indem er die Hufeisen verkehrt unternagelte. Einmal hatte der Riese ein Mädchen aus dortiger Gegend geraubt und mit in seine Höhle genommen, wo sie ihm den Haushalt führen mußte. Sie gebar ihm im Laufe der Zeit mehrere Kinder, aber der Riese fraß dieselben immer wieder auf. Der Kummer hierüber und über den Verlust ihrer Freiheit machte die Gefangene endlich krank, und der Riese verstattete ihr zuletzt, daß sie zu ihrer Erholung einmal an einem Sonntag nach Varel gehe; doch mußte sie ihm schwören, keinem Menschen ihren Aufenthalt zu entdecken und gleich wieder zu kommen. So ging sie denn hin nach [508] Varel, und als die Leute aus der Kirche kamen, stellte sie sich an die Kirchenmauer und erzählte dieser ihre Geschichte und sagte, sie wolle eine Kanne Erbsen auf den Weg streuen, der zu ihrer Wohnung führe, denn sagen dürfe sie ihn nicht. Die Kirchleute hörten die Erzählung, und es ward dafür gesorgt, daß jemand ihre Spur verfolge. Als so der Aufenthalt des Riesen ausgekundschaftet war, wurde der Landsturm aufgeboten, die Höhle umstellt und ein Kessel mit siedendem Wasser bereit gehalten. Inzwischen war es Abend geworden, und der Riese wälzte den Stein vor der Höhle weg, um seinen Raubzug zu beginnen. Aber in demselben Augenblicke wurde ihm der Kessel voll heißen Wassers ins Gesicht gegossen, Hören und Sehen verging ihm, und er ward von dem Landsturm erschlagen. In der Höhle fand man unermeßliche Schätze, aber auch eine große Menge von Menschenknochen und Totenköpfen, welche alle reihenweise aufgestellt waren. Die Höhle im Rapelsberge ist eingestürzt, der Stein aber, der sie verschloß, soll noch dort liegen.


Vgl. die Sage vom Mordkuhlenberge bei Damme 536b.

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Neunter Abschnitt. F. Riesen. 258. [Der Glaube an ein untergegangenes Geschlecht der Riesen ist alt]. l. [In der Bauerschaft Neuenwege, Ksp. Varel, nahe an der Oldenburger]. l. [In der Bauerschaft Neuenwege, Ksp. Varel, nahe an der Oldenburger]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-310A-0