258.

Der Glaube an ein untergegangenes Geschlecht der Riesen ist alt und weit verbreitet. Überall auf der Geest nennt man die Steindenkmäler Hünensteine. Überall heißt es, riesige Menschen, die an Größe und Kraft die heutige Menschheit um ein bedeutendes überragten, Hünen genannt, hätten sie zusammen [502] getragen und aufeinander getürmt. Gerade so urteilte das Volk schon vor bald anderthalb tausend Jahren über die Hünensteine. In dem angelsächsischen Beowulfliede, um das Jahr 600 entstanden, läßt der Dichter in einem Hünengrabe einen Drachen hausen und nennt das Steindenkmal das Werk der Riesen. War der Glaube an Riesen einmal da, dann mußte die Phantasie allerlei Beschäftigungen jener kraftvollen Menschen aushecken. Ein einsamer Findling in der Heide wurde ein Ball, der beim Kegelschieben abgesprengt und als »Pumpe« im Sande stecken geblieben war. Ein Sandhügel war eine Handvoll Sand gewesen, den ein Riesenkind in seiner Schürze getragen und unterwegs verschüttet hatte und dergl. mehr. Geschichten von Riesen, die weit von einander wohnten undeinen Backofen benutzten, finden sich mehrfach (Arkeburg-Otteburg-Astrup, Bösel-Altenoythe-Thüle, Falkenrott-Calveslage usw.). Bei aller Stärke sind die Riesen gutmütig gewesen, aber auch einfältig oder dumm. Kam es auf rohe Kraft an, dann blieben sie im Kampfe mit den Menschen Sieger, gab Geschicklichkeit und Überlegung den Ausschlag, dann zogen sie meist den kürzeren. Dies hat denn auch schließlich ihren Untergang herbeigeführt. – Vielfach herrscht auch der Glaube, die fortschreitende Kultur habe die Menschen überhaupt weichlicher und damit immer kleiner gemacht, je weiter man in die Vergangenheit zurückgehe, desto größer und kräftiger sei die Menschheit gewesen. Als 1864 beim Neubau der Lüscher Kapelle ein mittelalterlicher Kirchhof bloßgelegt wurde, kamen Skelette von ungewöhnlicher Größe zum Vorschein, und man schloß aus den Funden, daß in längstvergangenen Zeiten in Lüsche ein Riesengeschlecht gewohnt habe.

a.

Bei Steinkimmen, Ksp. Ganderkesee, liegen mehrere Gruppen großer Steine, Hünensteine genannt, weil mit ihnen die Hünen vor Zeiten Ball gespielt haben. »Minsken harren dat woll laten schullt, de so binanner to släpen«, sagte ein Bauer, dessen Gehöft von seinen Vorfahren mit Steinen derselben Art und Größe eingefriedigt war. – Südlich von Steinfeld liegen in einem herrschaftlichen Fuhrenkamp mehrere Hünensteine. Unter einem der größten haben die Hünen ihre Küche gehabt, unter einem zweiten haben sie geschlafen. Mit den übrigen haben sie Ball gespielt und haben sie über den Thorsbarg geworfen, der nicht weit davon ist und zu den Dammer Bergen gehört. In einem Steine finden sich noch [503] zehn Löcher, das sind die Fingermale der Riesen. – Auf dem Kleinenkneter Felde, nicht weit von Pestrup, Ksp. Wildeshausen, liegen zwei große Gruppen von Hünensteinen und ebenso auf der jenseits der Hunte befindlichen Heidhöhe von Rüdebusch, die haben sich die Hünen gegenseitig zugeworfen. In dem größten Steine auf dem Kneter Felde sind noch die fünf Eindrücke der Finger eines Hünen zu sehen. In der ganzen Gegend von Pestrup haben ehedem viele Hünen gelebt, aber eine Pest hat sie alle dahingerafft. Daher kommen die vielen Hünengräber, die sich bei Pestrup finden, daher kommt auch der Name Pestrup, d.i. Pestdorf. – Andere Arten von Riesengräbern 552 f, 554b, 584c.

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Neunter Abschnitt. F. Riesen. 258. [Der Glaube an ein untergegangenes Geschlecht der Riesen ist alt]. a. [Bei Steinkimmen, Ksp. Ganderkesee, liegen mehrere Gruppen großer]. a. [Bei Steinkimmen, Ksp. Ganderkesee, liegen mehrere Gruppen großer]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3606-3