626. Rott-sin-Vetter.

Es war einmal ein armer Mann, der hatte nichts zu brechen noch zu beißen. Traurig ging er einstens über Feld, da begegnete ihm ein alter grauer Mann, der fragte ihn, warum er so traurig sei. Der Arme erzählte ihm seine Not, da sprach der graue Mann: »Ich bin bereit, dir zu helfen, aber dafür mußt du mir versprechen, daß du dich fortan Rott-sin-Vetter nennen willst und leben willst wie ein Vieh; du darfst dich nicht waschen noch kämmen, und essen mußt du mit den Händen. Versprichst du mir, das alles zu halten drei Jahre lang, so sollst du so viel Geld haben, wie du nur willst, und länger als auf drei Jahre brauchst du den Kontrakt nicht einzugehen.« Der alte graue Mann war aber der Teufel, doch der Arme willigte ein, denn ihm war kein anderer Weg offen. Er ging in die Stadt und kaufte sich Leinen und ließ [468] Säcke daraus machen so groß wie Bettücher, die wünschte er sich voll Gold, und richtig mit einem Male waren alle voll lauter Goldstücke. Aber weil er sich nicht kämmte noch wusch, sah er so wunderlich aus, daß man bange vor ihm werden konnte, und niemand wollte ihn in sein Haus aufnehmen. Endlich aber tat es doch ein Wirt, der das Geld so recht lieb hatte und sah, daß der schmutzige Mann davon genug hatte.

Nach langer Zeit kam zu dem Wirte ein Graf, der war in böser Geldverlegenheit und fragte den Wirt, ob er ihm nicht aus der Not helfen könne. Der Wirt sagte: »Ich habe kein Geld, aber da habe ich einen Mietsmann, der ist gar reich; aber er ist so schmutzig, daß ich sie nicht zu ihm führen mag.« Der Graf antwortete: »Das macht nichts, führt mich nur zu ihm.« Als der Graf nun zu Rott-sin-Vetter kam, lieh dieser ihm Geld, so viel er haben wollte, und wurde von dem Grafen aus Dankbarkeit zu Tische eingeladen. Am folgenden Mittag ging Rott-sin-Vetter, schmutzig wie er war, zum Schlosse, da war schon der Tisch gedeckt und die Gäste versammelt, und auch des Grafen drei Töchter waren da. Als es ans Essen ging, und die Suppe aufgetragen war, da bat Rott-sin-Vetter die anderen Gäste, sie möchten sich nur zuerst nehmen, und als das geschehen, ergriff er die Suppenschüssel mit beiden Händen, setzte sie an den Mund und trank seinen Teil daraus. Ebenso machte er es mit den anderen Gerichten, und von den festen Speisen nahm er sich mit der Hand. Als die Mahlzeit vorüber war, fragte er die älteste Tochter, ob sie auch heiraten wolle. »Ja«, antwortete sie. Ob sie ihn denn haben wolle? »Nein«, antwortete sie. »Warum denn nicht?« »Weil ich sie nicht leiden mag.« Nicht besser ergings ihm bei der zweiten Tochter. Die jüngste aber sagte ja, und da wechselten sie die Ringe, und Rott-sin-Vetter sagte, daß er bald wieder kommen wolle.

Als nun die drei Jahre um waren, kündigte Rott-sin-Vetter dem Teufel den Kontrakt. Da ward der Teufel sehr böse und verlangte für jedes Jahr eine Seele. »Das findet sich«, sagte Rott-sin-Vetter, dann ging er in die Stadt, um sich rasieren zu lassen. Der erste Barbier, zu welchem er kam, wollte die Arbeit nicht übernehmen, weil er gar zu rauh und schmutzig aussah, aber der zweite, den er fragte, der tat es, und dem gab er zum Lohne ein großes Goldstück. Da ging [469] der erste Barbier hin und schnitt sich mit seinem eigenen Messer den Hals ab, und das war die erste Seele für den Teufel. Das kümmerte aber Rott-sin-Vetter nicht, der putzte sich zum feinen Herrn heraus und ging nach dem Schlosse des Grafen. Da war wieder große Gesellschaft, und er wurde eingeladen, mit zu speisen, aber niemand kannte ihn, so sehr hatte er sich in seinem Äußeren geändert, auch aß er jetzt wie andere Leute. Nach der Mahlzeit fragte er wieder des Grafen älteste Tochter, ob sie auch heiraten wolle? »Ja«, antwortete sie. Ob sie ihn wohl haben wolle? »Ja«, antwortete sie. »Warum denn?« »Weil ich sie wohl leiden mag.« Aber er sagte darauf: »Ich mag sie nicht leiden.« Ebenso ging es bei der zweiten. Als er aber zu der jüngsten kam und sie fragte, ob sie ihn wohl haben wolle, antwortete sie: »Nein«, und als er fragte, warum denn nicht, antwortete sie: »Weil ich schon verlobt bin.« Da zeigte er den Ring vor, den sie ihm früher gegeben, und es war große Freude im Schlosse. Aber die beiden ältesten Schwestern gingen hin und ertränkten sich, weil sie früher so töricht gewesen waren und nein gesagt hatten. Und das waren die beiden anderen Seelen für den Teufel. (Saterland.)

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Viertes Buch. 626. Rott-sin-Vetter. 626. Rott-sin-Vetter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-37B9-7