517. Ganderkesee.

a.

Zur Kirche in Ganderkesee sollen vor Zeiten noch viele Dörfer gehört haben, welche jetzt teils eigene Kirchen besitzen, teils zu anderen Kirchen eingepfarrt sind, so Hasbergen, Harpstedt, Dingstede, Hurrel, Lintel, Vielstedt, Nordenholz und andere. Man erzählt sich, der Küster zu Ganderkesee habe den Gottesdienst nicht eher anfangen dürfen, als bis wenigstens ein Einwohner von Hurrel sich eingefunden habe.

b.

In alten Zeiten waren in dem Kirchspiel Ganderkesee sieben Kapellen, nämlich in Bergedorf, Kirchkimmen, Habbrügge, Gruppenbüren, Stenum, Schlutter und Vürstel. Aber die sieben Kapellen kosteten so viel zu unterhalten, daß die Einwohner beschlossen, statt ihrer eine große Hauptkirche zu bauen. Und da sie sich über den Ort, wo die Kirche stehen sollte, nicht einigen konnten, ließen sie einen Gänserich, plattd. Ganter, mit [287] verbundenen oder geblendeten Augen fliegen: wo der sich niederlasse, solle die Baustelle sein. Der Gänserich setzte sich in die Niederung, wo jetzt die Kirche steht, und der Ort empfing daher den Namen Ganter kesede, Gänserich erkieste. Es hatte sich aber der Vogel, seiner Natur folgend, die allerniedrigste Stelle, eine Lache, ausgesucht, die erst ausgefüllt werden mußte, wozu man die Erde in der Nachbarschaft ausgrub. Daher stammen die beiden Teiche, die noch im Pastoreigarten zu sehen sind. –


Vgl. 173k, 192c.

c.

Links vom Eingange an der Südseite der Kirche zuGanderkesee findet sich in einem Steine in der Mauer ein kleiner Pferdefuß und in einem Steine daneben ein Zeichen wie von einem Tierschwanze abgedrückt. Als die Kirche im Bau begriffen war, gedachte der Teufel, dieselbe zu zerstören, wollte damit aber möglichst lange warten, damit sich die Leute erst tüchtig daran abgequält hätten und die Lust verlören, von vorne wieder anzufangen. Und er konnte sie zerstören, so lange die Kanzel noch nicht fertig war, nachher war seine Macht vorbei; er wollte aber bis aufs letzte warten. Indessen die Ganderkeseer beeilten sich mit der Kanzel ganz besonders und stellten sie in die Kirche, ehe diese noch ein Dach hatte, und als der Teufel einmal nachsah, war die Kanzel schon da. Da stellte er sich mit dem Rücken an die Mauer und stieß zornig mit dem Fuße dagegen, allein es war zu spät, und nur die Spur von Huf und Schwanz haftet in dem Stein. Vgl. 192b. – Ein Menschenopfer bei Erbauung der Kirche: 151c. – Eine Glocke vom Turm geschleudert: 192c. – Ein Schimmel, der auf dem Kirchhofe und in der Nähe des Dorfes spukt: 186b.

d.

In dem Garten zu Holzkamp stehen eine Eiche und eine Buche, die mit den Wurzeln so ineinander verschlungen sind, als wären sie ein einziger Baum. Vor vielen, vielen Jahren haben einmal die Bremer und die Oldenburger an den Ufern der Delme eine Schlacht geschlagen, und zwei Brüder, welche auf den verschiedenen Seiten dienten, haben sich im Holzkamper Gutsgarten einer den anderen erschlagen, vor dem Tode aber einander erkannt und sich gegenseitig verziehen. Aus ihrem Grabe sind hernach jene beiden Bäume hervorgewachsen.

e.

In der Nähe des Gutes Holzkamp liegt eine Baustelle, Sevenhusen genannt. Früher sollen dort sieben Bauern [288] gehaust haben, aber sechs von ihnen verließen unter dem Grafen Gerhard wegen der drückenden Lasten ihre Stellen und siedelten sich zu Kühlingen, Nordenholz und Sandersfeld an. Die Bauen der sechs wurden zu dem jetzigen Gute Holzkamp zusammengelegt, die eine Bau, die übrig blieb, hat aber den Namen der sieben behalten.

f.

Zwischen Ganderkesee und Hengsterholz hat früher ein großes Dorf Windhusen gelegen, das nach dem Kloster Hude bemeiert war. Durch den schwarzen Tod sind aber alle Bewohner des Dorfes hinweggerafft bis auf zwei, einen Mann und eine Frau, welche von dem Orte weggezogen sind. Das Dorf ist hernach verfallen und verwüstet, aber noch sieht man in der Heide die Äcker, in welche ehemals das Land eingeteilt war.

g.

Als Graf Christian von Oldenburg von einem Kreuzzuge nach Palästina heimkehrte, ward er auf Anstiften seines Bruders Moritz im Jahre 1192 zu Bergedorf von den Edlen von Hatten, Sannum und Döhlen ermordet. Die Mordtat, so erzählt man, ist in Siemens Hause nahe der Schule verübt worden.


Vgl. 519 f.

h.

In der Bauerschaft Steinkimmen liegen an der Chaussee von Oldenburg nach Falkenburg einige Häuser, welche den Namen Vosteen, Fuchsstein, führen. In dem Hofwall des bedeutendsten dieser Häuser, an der Nordseite der Chaussee, sind viele große Steine eingefügt, und in dem größten und letzten dieser Steine finden sich deutliche Abdrücke der Füße und des Schweifes eines Fuchses. Der Abdruck entstand, als ein von Jägern am Karfreitag gehetzter Fuchs über den Stein lief. Einige erzählen, der Fuchs sei der Teufel selbst gewesen. Lange hatte derselbe den Jäger geneckt und hinter sich her gelockt, und als er auf jenen Stein gesprungen war, und der Jäger schon seine Büchse zum Schusse erhoben hatte, sah jener mit einem höllischen Gelächter sich um und verschwand, einen Schwefelgestank zurücklassend. Vgl. 186m. – In den Kimmer Leeschen, westlich von Kimmen, ist es nicht richtig. Wegen der Hünensteine bei Steinkimmen: 258a.

i.

Zu Falkenburg erscheint des Nachts ein großer schwarzer Hund an bestimmter Stelle, macht die Runde durch das Dorf stets in derselben Weise und verschwindet zuletzt auf der Chaussee nach Bremen. Man hat öfters auf ihn geschossen, [289] auch kürzlich noch, aber dann schüttelt er sich nur und setzt seinen Weg fort.

k.

Der Hasbruch soll ehemals mit dem Stenummer Holze, den beiden Middelhops, dem Kimmerholze, dem Stühe, Reiherholze und Schnitthillgenloh einen zusammenhängenden Wald gebildet haben. Ebenso konnte, wie es heißt, ein Eichhörnchen vom Hengsterholze bis zum Delmenhorster Tiergarten von Baum zu Baum springen, ohne ein einzigesmal den Boden berühren zu müssen. – Das schreiend Ding im Hasbruch: 172d, 176b, 518e; andere Spukgestalten: 179x, 183g.

l.

In dem Middelhop, einem Holze bei Grüppenbüren, spukt ein Bauer aus letzterem Dorfe, den ein Pater dahin gebannt hat mit der Aufgabe, sämtliche Gras- und Bähnthalme des Busches zu zählen. Er ist mit dem Zählen noch nicht fertig, und Leute, die durch den Busch gegangen, wollen den steinalten, eisgrauen Mann gesehen haben. – Ein anderer Spukgeist im Middelhop: 183r.

m.

Im Stenummer Holze, und zwar im Rehagen, liegt eine Stelle, Ulland genannt, an welcher es spukt. Männer ohne Kopf, feurige Kerle sind dort gesehen worden. Auch im Kiebitzmoor, nahe bei Schierbrok, zeigen sich feurige Kerle. Vgl. auch 186q. – In den Sandhügeln bei Stenum und Rethorn sind Zwerge, 257a, h, ebenso in Nutzhorn. – Bei Stenum und auf dem Bokholtsberge haben Riesen gelebt: 258g.

Auf dem Kirchwege zwischen Schönemoor und Ganderkesee spukt es: 185s. – Zwischen Ganderkesee und Bürstel ein Hexenberg: 218. – Bei Sandersfeld hat eine Eisenbahn vorgespukt: 158p. – Schatz unter einem Findling: 197l.


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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. 517. Ganderkesee. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3820-8