108. Der Kampf der Blinden in Stralsund.
In dem Jahre nachher, als der Katzenritter die Katze todt gebissen, also im Jahre 1415, gab der Rath zu Stralsund der Bürgerschaft zu Fastnachten ein Schauspiel, welches fast noch ergötzlicher war, als jenes. Er ließ nämlich auf dem alten Markte alle Blinden aus der Stadt zusammenkommen. Die bekamen jeder eine Keule, und dann wurde ein Schwein in ihre Mitte gebracht, das sie mit den Keulen todtschlagen sollten. Rund um sie her waren Planken gezogen, daß ihnen das Schwein nicht entlaufen konnte. Da gab es denn einen gewaltigen, aber für das [147] versammelte Volk sehr vergnüglichen Spektakel. Denn anstatt das Thier zu treffen, schlugen die blinden Menschen mit ihren Keulen auf einander los, daß sie Löcher und Beulen davontrugen. Anfangs ließen sie sich dadurch in ihrem Eifer nicht stören; auf die Dauer wurden sie aber doch zaghaftig, und nun fühlten sie zuerst vorsichtig mit der Keule hin, wo das Schwein stände, bevor sie zuschlugen. Da tödteten sie es denn zuletzt.
Ein so lachendes Fastnachtsfest hatte man in Stralsund noch nicht erlebt.
Vgl. Stralsundische Chroniken, von Mohnike und Zober, S. 8. 9.