31. Jesus am Stamme des Kreuzes

Mel.: Sieh, hier bin ich, Ehrenkönig ...

1.
Setze dich, mein Geist, ein wenig
Und beschau dies Wunder groß,
Wie dein Gott und Ehrenkönig
Hängt am Kreuze, nackt und bloß;
Schau die Liebe, Die ihn triebe
Zu dir aus des Vaters Schoß!
2.
Ob dich Jesus liebt von Herzen,
Kannst du hier am Kreuze sehn;
Schau, wie alle Höllenschmerzen
Ihm bis in die Seele gehn!
Fluch und Schrecken Ihn bedecken,
Höre doch sein Klaggetön!
3.
Seine Seel', von Gott verlassen,
Ist betrübt bis in den Tod,
[382]
Und sein Leib hängt gleichermaßen
Voller Wunden, Blut und Kot;
Alle Kräfte, Alle Säfte
Sind erschöpft in höchster Not.
4.
Dies sind meiner Sünden Früchte,
Die, mein Heiland, ängsten dich,
Dieser Leiden schwer Gewichte
Sollt' zum Abgrund drücken mich,
Diese Nöten, Die dich töten,
Sollt' ich fühlen ewiglich.
5.
Doch du hast für mich besieget
Sünde, Tod und Höllenmacht,
Du hast Gottes Recht vergnüget,
Seinen Willen ganz vollbracht
Und mir eben Zu dem Leben
Durch dein Sterben Bahn gemacht.
6.
Ach, ich Sündenwurm der Erden,
Jesu, stirbst du mir zu gut?
Soll dein Feind erlöset werden
Durch dein eigen Herzensblut?
Ich muß schweigen Und mich beugen
Für dies unverdiente Gut.
7.
Seel' und Leben, Leib und Glieder,
Gibst du alle für mich hin;
Sollt' ich dir nicht schenken wieder
Alles, was ich hab' und bin?
[383]
Ich bin deine Ganz alleine,
Dir verschreib' ich Herz und Sinn.
8.
Dir will ich durch deine Gnade
Bleiben bis in 'n Tod getreu;
Alle Leiden, Schand' und Schade,
Sollen mich nicht machen scheu;
Deinen Willen Zu erfüllen,
Meiner Seele Speise sei!
9.
Tränk mit deinem Blut mich Armen,
Es zerbricht der Sünden Kraft,
Es kann bald mein Herz erwarmen
Und ein neues Leben schafft;
Ach, durchfließe, Ach, durchsüße
Mich mit diesem Lebenssaft!
10.
Zieh durch deines Todes Kräfte
Mich in deinen Tod hinein,
Laß mein Fleisch und sein Geschäfte
Mit dir angenagelt sein,
Daß mein Wille Sanft und stille
Und die Liebe werde rein!
11.
Laß in allen Leidenswegen
Deine Leiden stärken mich,
Daß mein Leiden mir zum Segen
Mag gedeihen stetiglich,
Daß mein Herze Auch im Schmerze
Ohne Wanken liebe dich!
[384] 12.
Wann mich schrecken meine Sünden,
Wann mich Satans List anficht,
Wann ich Kraft noch Gnad' kann finden,
Wollst du mich verlassen nicht,
Laß dein Sterben Mir erwerben
Trost im Tod und im Gericht!
13.
Jesu, nun will ich ergeben
Meinen Geist in deine Hand;
Laß mich dir alleine leben,
Bis ich nach dem Leidensstand
Bei dir wohne, In der Krone
Dich beschau im Vaterland!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Tersteegen, Gerhard. Gedichte. Geistliches Blumengärtlein. Drittes Büchlein. 31. Jesus am Stamme des Kreuzes. 31. Jesus am Stamme des Kreuzes. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4549-5