38. Betrachtung und Lob der Güte Gottes

Mel.: Warum sollt' ich mich denn grämen ... oder: Fröhlich soll mein ...

1.
Groß ist unsers Gottes Güte,
Seine Treu Täglich neu
Rühret mein Gemüte;
Sende, Herr, den Geist von oben,
Daß jetzund Herz und Mund
Deine Güte loben!
2.
Du hast meinem Leib gegeben
Für und für Mehr als mir
Nötig war zum Leben;
Meine Seel' mit tausend Gnaden
Allerhand, Dir bekannt,
Hast du, Herr, beladen.
3.
Da ich, Herr, dich noch nicht kannte
Und in Sünd' Tot und blind
Dir den Rücken wandte,
Da hast du bewahrt mein Leben
Und mich nicht Dem Gericht
Nach Verdienst ergeben.
[397] 4.
Wenn ich damals wär' gestorben,
Ach, mein Herr, Ewig wär'
Meine Seel' verdorben;
Du, du hast verschont in Gnaden
Und mich gar Immerdar
Nur zur Buß' geladen.
5.
Wenn ich gleich nicht hören wollte,
Riefst du doch Immer noch,
Daß ich kommen sollte;
Endlich hast du überwunden,
Endlich hat Deine Gnad'
Mich Verlornen 'funden.
6.
Endlich mußt' mein Herze brechen
Und allein Ohne Schein
Dir das Jawort sprechen.
O du sel'ge Gnadenstunde,
Da ich mich Ewiglich
Meinem Gott verbunde,
7.
Da ich allem Sündenleben,
Aller Freud' Dieser Zeit
Abschied hab' gegeben,
Da mein Geist zu Gottes Füßen
Sank dahin Und mein Sinn
Wollt' in Reu zerfließen!
8.
Zwar ich bin nicht treu geblieben,
Wie ich sollt', Wie ich wollt',
[398]
Dich allein zu lieben;
Aber du bleibst ohne Wanken
Immer doch Treue noch.
Könnt' ich recht dir danken!
9.
Sint hab' ich so oft betrübet
Deinen Geist, Wie du weißt,
Du hast doch geliebet,
Daß ich immer wieder kame
Und mein Schmerz Brach dein Herz,
Das mich in sich nahme.
10.
O du sorgest für mich Armen,
Tag und Nacht Hältst du Wacht,
Groß ist dein Erbarmen!
Lauf' ich weg, du holst mich wieder,
Väterlich Hältst du mich,
Wenn ich sinke nieder.
11.
Deine Güt', die ewig währet,
Hat mich oft Unverhofft
In der Not erhöret.
O wie oft hast du mein Herze
Nicht erlöst Und getröst't,
Da ich lag im Schmerze!
12.
Deines Geistes Zug und Leiten
Spür' ich ja Innig nah,
[399]
Daß ich nicht soll gleiten.
Wenn ich stille bin und merke,
Geht er mir Tröstlich für
Stets bei allem Werke.
13.
Wenn ich oft im Dunkeln walle,
Steht mir bei Deine Treu,
Daß ich dann nicht falle,
Daß ich mich kann überlassen,
Stille stehn, Ohne Sehn
Meinen Gott umfassen.
14.
Du hast auch gezeigt mir Blinden,
Wie man dich Innerlich
Kann im Herzen finden,
Wie man beten muß und sterben,
Wenn man will Werden still
Und dein Reich ererben.
15.
Deine Güte muß ich loben,
Die so treu Mir stund bei,
In so manchen Proben.
Dir hab' ich es nur zu danken,
Daß ich doch Stehe noch,
Der so leicht kann wanken.
16.
Bald durch Kreuz und bald durch Freuden
Hast du mich Wunderlich
Immer wollen leiten.
Herr, ich preise deine Wege,
[400]
Deinen Rat, Deine Gnad',
Deine Liebesschläge.
17.
O wie groß ist deine Güte!
Deine Treu Immer neu
Preiset mein Gemüte.
Ach, ich muß, ich muß dich lieben,
Seel' und Leib Ewig bleib'
Deinem Dienst verschrieben!
18.
Möcht' dich alle Welt erkennen
Und mit mir Danken dir
Und in Liebe brennen!
Deine Güte laß mich loben
Hier auf Erd', Bis ich's werd'
Tun vollkommen droben!

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TextGrid Repository (2012). Tersteegen, Gerhard. 38. Betrachtung und Lob der Güte Gottes. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4DC6-5