[129] XXVI.
Die Bacchantinnen.

Dithyrambe.


Ino, Autonoe und die apfelgewangte Agaue
Führten, sie selber zu drei, ins Gebirg' drei bacchische Züge,
Und von buschiger Eich' abpflückend die wuchernden Blätter,
Grünenden Epheu zugleich und Asphodelos tief an der Erde,
Bauten auf reinlicher Aue sie alsbald zwölf der Altäre:
Drei für die Semele, neun für den Gott Dionysos daneben.
Darauf die heil'gen Gebilde, mit Händen entnommen der Kiste,
Legten sie schweigenden Munds auf die frisch umlaubten Altäre,
Wie Dionysos gelehrt und selber genehm es erachtet.
Pentheus aber ersah das alles von ragendem Felsen,
Dort im heimischen Sprosse versteckt, im alternden Mastix,
Und ihn erblickte zuerst die Autonoe gellenden Schreckrufs,
Rasch mit den Füßen zerstöbernd des taumelerregenden Bacchos
Heilig Gerät', das kein Unheiliger je noch geschaut hat.
Rasend enteilte sie selbst und schnell auch rasten die andern;
Pentheus flüchtete sich in Angst, doch jene verfolgten,
Auf zum Kniebug ziehend, vom Gürtel aus, ihre Gewänder.
Pentheus nahm sich das Wort: »Was wollt ihr von mir, ihr Frauen?«
Aber Autonoe rief: »Bald weißt du's, ohn' es zu hören!«
Und nun brüllte die Mutter, erfassend den Sohn an dem Haupte,
Wie das Gebrüll weittönend die Löwengebärerin auswirft.
Ino entriß ihm sofort samt Schultergeblätte die Schulter
[130] Stemmend die Fers' auf den Bauch, und Autonoe that ihm das Gleiche,
Aber die übrigen Frauen zerstückten, was übrig geblieben.
Heim dann kehrten sie all' nach Theben mit Blute besudelt,
Von dem Gebirg' her Trauer, nicht mit sich den Trauerer 1 bringend.
Ich nicht schelt' es, und so auch vermess' sich kein and'rer dem Bacchos
D'rüber zu grollen und hätt' noch härteres einer erduldet,
Als Neunjähriger auch und der in das zehente träte.
Fromm sein mög' ich selbst und möge gefallen den Frommen.
Dies ist vom Ägiserschütt'rer die herrlichste Adlerverkündung:
Wohl geht's Kindern Gerechter, den Söhnen Unredlicher niemals.
Heil Dionysos dir, den hoch auf Drakonons Schneehaupt
Zeus, der erhab'ne, gelegt, sich öffnend die mächtige Hüfte!
Heil, reizschimmernde dir, o Semele, und den Geschwistern,
Kadmos' Töchtern, von vielen Heroinnen einstens gefeiert,
Welche gethan dies Werk von dem Hauche des Bacchos getrieben,
Nimmer zu schelten: was Göttern entflossen ist, richte der Mensch nicht.

N.

Fußnoten

1 Wortspiel mit dem Namen Pentheus, welcher obige Bedeutung hat.

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TextGrid Repository (2012). Theokrit. Lyrik. Idyllen. 26. Die Bacchantinnen. 26. Die Bacchantinnen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4F7D-C