[140] XXVIIIb.
Die Spindel.

(In bekannterem Silbenmaße.)


O Spindel, Wollefreundin, Angebind'
Der blaugeaugten Göttin du, den Frau'n
Gewidmet, deren Sinn auf Häuslichkeit
Gestellt ist, komm' nunmehr getrost mit mir
Zu Neleus' glanzerfüllter Stadt, allwo
Aus zartem Schilfgrün Kypris' Tempel steigt.
Dorthin erbitten wir von Vater Zeus
Uns schönen Fahrwind, daß ich bald des Freunds
Von Angesicht mich freuen möge, selbst
Auch ein willkomm'ner Gast dem Nikias,
Den sich die Chariten zum Sohn geweiht,
Die lieblichredenden. Dann leg' ich ihr,
Der Gattin meines Freundes, in die Hand
Zur Gabe dich, aus hartem Elfenbein
Mit Fleiß geglättete. Wohl künftighin
Vollendest du gar manch' Gespinst mit ihr,
Zu männlichen Festkleidungen, auch viel
Meerfarb'ne zarte Hüllen, wie die Frau'n
Sie tragen. Zweimal müssen jedes Jahr
Der Lämmer Mütter auf der Au zur Schur
Die weichen Vließe bringen, damit ja
[141]
Der nettfüßigen Theugenis so bald
Die Arbeit nicht ausgehen mag; sie liebt,
Was kluge Frauen lieben. In das Haus
Der unwirtschaftlich Müßigen hätt' ich
Dich nimmermehr gebracht, o Landsmännin.
Dein Heimatort ist jene Stadt, die einst
Der Ephyräer Archias erbaut,
Das Mark Trinakrias, der Edeln Sitz.
Sofort nun Hausgenossin jenes Manns,
Deß' Kunst so manches feine Mittel weiß,
Das von den Menschen böse Krankheit scheucht,
Im lieblichen Miletos wohnest du,
Im Kreis der Ionier: daß Theugenis
Bei andern Weibchen ihres Volks die Schön-
Gezierte mit der Spindel heißen soll.
Und daß du ihren Gast ihr allezeit,
Den Liederdichter, ins Gedächtnis rufst.
Da sagt zum andern einer, der dich sieht:
»Wie viel ein klein Geschenk doch gelten kann!
So wert ist alles, was von Freunden kommt.«

M.

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TextGrid Repository (2012). Theokrit. Lyrik. Idyllen. 28b. Die Spindel. 28b. Die Spindel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4FB0-7