[697] Klänge aus Gnesen
Das ist neulich in Gnesen
Wieder bei einem Feste gewesen,
Wo man so nebenbei erfuhr:
»Das Deutschtum ist Kultur.«
Tja. Kultur, und ei! ei!
Daß es auch die Freiheit sei.
Hierüber sage ich zunächst:
Dieses Diktum ist allerhöchst.
Darüber sind wir uns alle klar.
Zweitens: ist es aber auch wahr?
Das heißt: ob es auch gänzlich stimmt,
Indem es von so hoher Stelle kimmt?
Untersuchen wir mit tiefstem Respekt,
Ob das Diktum auch fleckt und kleckt.
Also: »Deutschtum ist Kultur.«
Schön! Fragt sich nur,
Was für eine.
So zum Beispiel ist es keine,
Wenn man ihr erstes Element
Mitunter und häufig so ganz verkennt,
Ich meine, wenn man die Kunst
Recht gotteserbärmlich verhunzt.
Und – pardong! – in einem Land,
Wo bloß der Pfaffe und Leutenant
Ein ungestörtes Behagen genießen,
Kann nicht viele Kultur ersprießen.
Freilich – in einer Monarchie,
Zugegeben, da braucht man sie.
Der liebe Gott und Gefreitenknöpfe,
Schandarmen, Richter und gute Geschöpfe
Bilden die monarchische Institution.
Und stützen den Thron.
Aber – Kultur?! So unterweil
Kommt's mir vor wie das Gegenteil.
Und die Sittlichkeitsriecher im schönen Bunde,
Die auf der Straße wie rote Hunde
Hinter dem Geschlechtlichen jagen,
[698]Und es hinterdrein verklagen, –
Dieses Gesindel und auch der Staat,
Der es gepflegt und gefördert hat –
Wirklich Kultur bedeuten sie?
Die Mucker, Schweine und Compagnie?
Und eine Regierung, die solches liebt,
Daß sie den Russen die Schergen gibt,
Die ist Kultur??! – Na, mir ist's recht,
Aber was ich bemerken möcht',
»Deutschtum ist Freiheit in Religion!«
Da erlaub' ich mir wirklich schon
Ganz untertänigst einmal zu fragen:
Übt nicht in Straßburg in diesen Tagen
Die Dummheit wieder den alten Zwang?
Und wenn 's ihr in Deutschland so wohl gelang,
In Frankreich hat man sie abgeschafft.
Wir aber werden verdummt, verpfafft,
Und rückwärts, rückwärts weist die Spur.
»Deutschtum ist Freiheit und ist Kultur!!«
Vielleicht ist 's früher so gewesen
Aber lange vor – Gnesen.