[204] Die heilige Woche

Welches Tönen, welch Empfinden
Zieht durch jede seelge Brust!
Nun erst werden die erhabnen Bilder
Der hohen Sistina lebendig!
Wie rührt, bewegt und ängstet
Allegri's Klargebitte, sein frommer Gesang,
Wenn das bebende Auge
Oben den Weltrichter sieht
Sich zürnend erheben:
Die bittende Mutter an ihn geschmiegt,
Die Heiligen um ihn,
Die furchtbaren Engel, deren Posaunenhall
Die Schläfer weckt,
Und rechts die Hoffnung der Guten,
Links der Verdammten Verzweifeln.
Umher die hohen Prophetengestalten,
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Der weissagende alte Bund,
Der sich jetzt am furchtbarsten Tage
Ganz erfüllt.
Wie die Sonne tiefer und tiefer sinkt,
Leuchtet der rothe Stral
Wundersam in Buonarotti's Schöpfung hinein,
Die Lichter erlöschen
Eins nach dem andern,
Die Abendröthe sinkt,
Und Dämmrung und Dunkel
Ruht auf der bewegten Menge
So wie die letzten Töne verklingen.
Gedankenschwer, mit dem Busen voll Schmerz,
Wandelt jeder durch die ruhigen Straßen,
Noch am Abend, in tiefer Nacht
Zieht der Klageton durch seine Seele.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Dritter Teil. Reisegedichte eines Kranken. Die heilige Woche. Die heilige Woche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-540C-7