[35] Des Jünglings Liebe

Ermunterung

Keinen hat es noch gereut
Der das Roß bestiegen,
Um in frischer Jugendzeit
Durch die Welt zu fliegen.
Berge und Auen,
Einsamer Wald,
Mädchen und Frauen
Prächtig im Kleide,
Golden Geschmeide,
Alles erfreut ihn mit schöner Gestalt.
Wunderlich fliehen
Gestalten dahin,
Schwärmerisch glühen
Wünsche im jugendlich trunkenen Sinn.
[36]
Ruhm streut ihm Rosen
Schnell in die Bahn,
Lieben und Kosen,
Lorbeer und Rosen
Führen ihn höher und höher hinan.
Rund um ihn Freuden,
Feinde beneiden,
Erliegend, den Held, –
Dann wählt er bescheiden
Das Fräulein das ihm nur vor allen gefällt.
Und Berge und Felder
Und einsame Wälder
Mißt er zurück.
Die Eltern in Thränen,
Ach alle ihr Sehnen, –
Sie alle vereinigt das lieblichste Glück.
[37]
Sind Jahre verschwunden,
Erzählt er dem Sohn
In traulichen Stunden,
Und zeigt seine Wunden,
Der Tapferkeit Lohn.
So bleibt das Alter selbst noch jung,
Ein Lichtstrahl in der Dammerung.

[38] Zweifel

Sind es Schmerzen, sind es Freuden,
Die durch meinen Busen ziehn?
Alle alten Wünsche scheiden,
Tausend neue Blumen bluhn.
Durch die Dämmerung der Thränen
Seh ich ferne Sonnen stehn, –
Welches Schmachten! welches Sehnen!
Wag' ich's! soll ich näher gehn?
Ach! und fällt die Thräne nieder
Ist es dunkel um mich her,
Dennoch kömmt kein Wunsch mir wieder,
Zukunft ist von Hoffnung leer.
[39]
So schlage denn, sterbendes Herz,
So fließet denn, Thränen, herab,
Ach Lust ist nur tieferer Schmerz,
Leben ist dunkeles Grab. –
Ohne Verschulden
Soll ich erdulden?
Wie ist's, daß mir im Traum
Alle Gedanken
Auf und nieder schwanken!
Ich kenne mich noch kaum.
O hört mich ihr gütigen Sterne,
O höre mich, grünende Flur,
Du, Liebe, den heiligen Schwur:
Bleib ich ihr ferne,
Sterb ich gerne.
Ach! nur im Licht von ihrem Blick
Wohnt Leben und Hoffnung und Glück.

[40] Hoffnung

Liebe kam aus fernen Landen
Und kein Wesen folgte ihr,
Und die Göttin winkte mir,
Schlang mich ein mit süssen Banden.
Da begonn ich Schmerz zu fühlen,
Thränen dämmerten den Blick:
Ach! was ist der Liebe Glück,
Klagt' ich, wozu dieses Spielen?
Keinen hab' ich weit gefunden,
Sagte lieblich die Gestalt,
Fühle du nun die Gewalt,
Die die Herzen sonst gebunden.
Alle meine Wünsche flogen
In er Lüfte blauen Raum,
Ruhm schien mir ein Morgentraum,
Nur ein Klang der Meereswogen.
[41]
Ach! wer lößt nun meine Ketten?
Denn gefesselt ist der Arm,
Mich umfleugt der Sorgen Schwarm;
Keiner, keiner will mich retten?
Darf ich in den Spiegel schauen,
Den die Hoffnung vor mir hält?
Ach! wie trügend ist die Welt!
Nein, ich kann ihr nicht vertrauen.
O und dennoch laß nicht wanken
Was dir nur noch Stärke giebt,
Wenn die Einzge dich nicht liebt,
Bleibt nur bittrer Tod dem Kranken.

[42] Glück

Willst du des Armen
Dich gnädig erbarmen?
So ist es kein Traum?
Wie rieseln die Quellen,
Wie tönen die Wellen,
Wie rauschet der Baum!
Tief lag ich in bangen
Gemäuern gefangen,
Nun grüßt mich das Licht!
Wie spielen die Strahlen!
Sie blenden und mahlen
Mein schüchtern Gesicht.
[43]
Und soll ich es glauben?
Wird keiner mir rauben
Den köstlichen Wahn?
Doch Träume entschweben,
Nur lieben heißt Leben:
Willkommene Bahn!
Wie frei und wie heiter!
Nicht eile nun weiter,
Der Pilgerstab fort!
Du hast überwunden,
Du hast ihn gefunden,
Den seligsten Ort!

[44] Erwartung

Wie soll ich die Freude,
Die Wonne denn tragen?
Daß unter dem Schlagen
Des Herzens die Seele nicht scheide?
Und wenn nun die Stunden
Der Liebe verschwunden,
Wozu das Gelüste,
In trauriger Wüste
Noch weiter ein lustleeres Leben zu ziehn,
Wenn nirgend dem Ufer mehr Blumen entblühn?
[45]
Wie geht mit bleibehangnen Füßen
Die Zeit bedächtig Schritt vor Schritt!
Und wenn ich werde scheiden müssen,
Wie federleicht fliegt dann ihr Tritt!
Schlage, sehnsüchtige Gewalt,
In tiefer treuer Brust!
Wie Lautenton vorüber hallt,
Entflieht des Lebens schönste Lust.
Ach! wie bald
Bin ich in der Wonne mir kaum noch bewußt.
Rausche, rausche weiter fort,
Tiefer Strom der Zeit,
Wandelst bald aus Morgen Heut,
Gehst von Ort zu Ort;
Hast du mich bisher getragen,
Lustig bald, dann still,
Will es nun auch weiter wagen,
Wie es werden will.
[46]
Darf mich doch nicht elend achten,
Da die Einzge winkt,
Liebe läßt mich nicht verschmachten,
Bis dies Leben sinkt;
Nein, der Strom wird immer breiter,
Himmel bleibt mir immer heiter,
Fröhlichen Ruderschlags fahr ich hinab,
Bring Liebe und Leben zugleich an das Grab.

[47] Erinnerung

War es dir, dem diese Lippen bebten,
Dir der dargebotne süße Kuß?
Giebt ein irdisch Leben so Genuß?
Ha! wie Licht und Glanz vor meinen Augen schwebten,
Alle Sinne nach den Lippen strebten!
In den klaren Augen blinkte
Sehnsucht, die mir zärtlich winkte,
Alles klang im Herzen wieder,
Meine Blicke sanken nieder,
Und die Lüfte tönten Liebeslieder!
[48]
Wie ein Sternenpaar
Glänzten die Augen, die Wangen
Wiegten das goldene Haar,
Blick und Lächeln schwangen
Flügel, und die süßen Worte gar
Weckten das tiefste Verlangen:
O Kuß! wie war dein Mund so brennend roth!
Da starb ich, fand ein Leben erst im schönsten Tod.

[49] Entschluß

Wir müssen uns trennen,
Geliebtes Saitenspiel,
Zeit ist es, zu rennen
Nach dem fernen erwünschten Ziel.
Ich ziehe zum Streite
Zum Raube hinaus,
Und hab' ich die Beute
Dann flieg ich nach Haus.
Im röthlichen Glanze
Entflieh ich mit ihr,
Es schützt uns die Lanze,
Der Stahlharnisch hier.
Kommt, liebe Waffenstücke,
Zum Scherz oft angethan,
Beschirmet jetzt mein Glücke,
Auf dieser neuen Bahn.
[50]
Ich werfe mich rasch in die Wogen,
Ich grüße den herrlichen Lauf,
Schon mancher ward nieder gezogen,
Der tapfere Schwimmer bleibt oben auf.
Ha! Lust zu vergeuden
Das edele Blut!
Zu schützen die Freuden,
Mein köstlichstes Gut!
Nicht Hohn zu erleiden,
Wem fehlt es an Muth?
Senke die Zügel,
Glückliche Nacht!
Spanne die Flügel,
Daß uber ferne Hügel
Uns schon der Morgen lacht!

[51] Schlaflied

Ruhe, Süßliebchen, im Schatten
Der grünen dämmernden Nacht,
Es säuselt das Gras auf den Matten,
Es fächelt und kühlt dich der Schatten,
Und treue Liebe wacht.
Schlafe, schlaf ein,
Leiser rauschet der Hain, –
Ewig bin ich dein.
Schweigt, ihr versteckten Gesänge,
Und stört nicht die süßeste Ruh!
Es lauscht der Vögel Gedränge,
Es ruhen die lauten Gesänge,
Schließ, Liebchen, dein Auge zu.
Schlafe, schlaf ein,
Im dämmernden Schein, –
Ich will dein Wächter sein.
[52]
Murmelt fort ihr Melodieen,
Rausche nur, du stiller Bach,
Schöne Liebesphantasieen
Sprechen in den Melodieen,
Zarte Träume schwimmen nach.
Durch den flüsternden Hain
Schwärmen goldene Bienelein,
Und summen zum Schlummer dich ein.

[53] Verzweiflung

So tönet dann, schäumende Wellen,
Und windet euch rund um mich her!
Mag Unglück doch laut um mich bellen,
Erbost seyn das grausame Meer!
Ich lache den stürmenden Wettern,
Verachte den Zorngrimm der Fluth;
O mögen mich Felsen zerschmettern!
Denn nimmer wird es gut.
Nicht klag ich, und mag ich nun scheitern,
In wäßrigen Tiefen vergehn!
Mein Blick wird sich nie mehr erheitern,
Den Stern meiner Liebe zu sehn.
So wälzt euch bergab mit Gewittern,
Und raset, ihr Stürme, mich an,
Daß Felsen an Felsen zersplittern!
Ich bin ein verlorener Mann.

[54] Trauer

Wie schnell verschwindet
So Licht als Glanz,
Der Morgen findet
Verwelkt den Kranz,
Der gestern glühte
In aller Pracht,
Denn er verblühte
In dunkler Nacht.
Es schwimmt die Welle
Des Lebens hin,
Und färbt sich helle,
Hat's nicht Gewinn;
Die Sonne neiget
Die Röthe flieht,
Der Schatten steiget
Und Dunkel zieht:
[55]
So schwimmt die Liebe
Zu Wüsten ab,
Ach! daß sie bliebe
Bis an das Grab!
Doch wir erwachen
Zu tiefer Qual;
Es bricht der Nachen,
Es löscht der Strahl,
Vom schönen Lande
Weit weggebracht
Zum öden Strande,
Wo um uns Nacht.

[56] Trennung

Muß es eine Trennung geben,
Die das treue Herz zerbricht?
Nein, dies nenne ich nicht leben,
Sterben ist so bitter nicht.
Hör' ich eines Schäfers Flöte,
Härme ich mich inniglich,
Seh ich in die Abendröthe,
Denk ich brünstiglich an dich.
Giebt es denn kein wahres Lieben?
Muß denn Schmerz und Trauer seyn?
Wär ich ungeliebt geblieben,
Hätt' ich doch noch Hoffnungsschein.
Aber so muß ich nun klagen:
Wo ist Hoffnung, als das Grab?
Fern muß ich mein Elend tragen,
Heimlich stirbt das Herz mir ab.

[Die Segel sie schwellen]

[57][59]
Die Segel sie schwellen,
Die Furcht ist nur Tand:
Dort, jenseit der Wellen,
Ist väterlich Land.
Die Heimath entfliehet, –
So fahre sie hin!
Die Liebe sie ziehet
Gewaltig den Sinn.
Horch! wollüstig klingen
Die Wellen im Meer,
Sie hüpfen und springen
Muthwillig einher.
Und sollten sie klagen?
Sie rufen nach dir!
Sie wissen, sie tragen
Die Liebe von hier.

[59] Neuer Sinn

Wie froh und frisch mein Sinn sich hebt,
Zurückbleibt alles Bangen,
Die Brust mit neuem Muthe strebt,
Erwacht ein neu Verlangen.
Die Sterne spiegeln sich im Meer,
Und golden glänzt die Fluth. –
Ich rannte taumelnd hin und her,
Und war nicht schlimm nicht gut.
Doch niedergezogen
Sind Zweifel und wankender Sinn,
O tragt mich, ihr schaukelnden Wogen,
Zur längst ersehnten Heimath hin.
[60]
In lieber dämmernder Ferne,
Dort rufen einheimische Lieder,
Aus jeglichem Sterne
Blickt sie mit sanftem Auge nieder.
Ebne dich, du treue Welle,
Führe mich auf fernen Wegen
Zu der vielgeliebten Schwelle,
Endlich meinem Glück entgegen!

[61] Klage

Süß ists's, mit Gedanken gehn,
Die uns zur Geliebten leiten,
Wo von blumbewachsnen Höhn,
Sonnenstrahlen sich verbreiten.
Lilien sagen: unser Licht
Ist es, was die Wange schmücket;
Unsern Schein die Liebste blicket:
So das blaue Veilchen spricht.
Und mit sanfter Röthe lächeln
Rosen ob dem Uebermuth,
Kühle Abendwinde fächeln
Durch die liebevolle Gluth.
[62]
All' ihr süßen Blümelein,
Sei es Farbe, sei's Gestalt,
Mahlt mit liebender Gewalt
Meiner Liebsten hellen Schein,
Zankt nicht, zarte Blümelein.
Rosen, duftende Narzissen,
Alle Blumen schöner prangen,
Wenn sie ihren Busen küssen
Oder in den Locken hangen,
Blaue Veilchen, bunte Nelken,
Wenn sie sie zur Zierde pflückt,
Müssen gern als Putz verwelken,
Durch den süßen Tod beglückt.
Lehrer sind mir diese Blüthen,
Und ich thue wie sie thun,
Folge ihnen, wie sie riethen,
Ach! ich will gern alles bieten,
Kann ich ihr am Busen ruhn.
[63]
Nicht auf Jahre sie erwerben,
Nein, nur kurze, kleine Zeit,
Dann in ihren Armen sterben,
Sterben ohne Wunsch und Neid.
Ach! wie manche Blume klaget
Einsam hier im stillen Thal,
Sie verwelket eh es taget,
Stirbt beim ersten Sonnenstrahl:
Ach! so bitter herzlich naget
Auch an mir die scharfe Qual,
Daß ich sie und all mein Glücke,
Nimmer, nimmermehr erblicke.

[64] Ruhe

Beglückt, wer vom Getümmel
Der Welt sein Leben schließt,
Das dorten im Gewimmel
Verworren abwärts fließt.
Hier sind wir all' befreundet,
Mensch, Thier und Blumenreich,
Von keinem angefeindet
Macht uns die Liebe gleich.
Die zarten Lämmer springen
Vergnügt um meinen Fuß,
Die Turteltauben singen
Und girren Morgengruß.
[65]
Der Rosenstrauch mit Grüßen
Beut seine Kinder dar,
Im Thale dort der süßen
Violen blaue Schaar.
Und wenn ich Kränze winde
Ertönt und rauscht der Hain,
Es duftet mir die Linde
Im goldnen Mondenschein.
Die Zwietracht bleibt dahinten,
Und Stolz, Verfolgung, Neid,
Kann nicht die Wege finden
Hierher zur goldnen Zeit.
Vor mir stehn holde Scherze
Und trübe Sorge weicht;
Allein mein innres Herze
Wird darum doch nicht leicht.
[66]
Weil ich die Liebe kannte
Und Blick und Kuß verstand,
So bin ich nun Verbannte
Weit ab im fernen Land.
Die Freude macht mich trübe,
Dunkelt den stillen Sinn,
Denn meine zarte Liebe
Ist nun auf ewig hin. –
Erinnre und equicke
Dich an vergangner Lust,
Am schwermuthsvollen Glücke,
Denn sonst zerspringt die Brust.
Die Morgenröthe lächelt
Mir zwar noch ofte zu,
Und matte Hoffnung fächelt
Mich dann in schönre Ruh:
[67]
Daß ich ihn wieder finde,
Den ich wohl sonst gekannt,
Und daß sich um uns winde
Ein glückgewirktes Band.
Wer weiß, durch welche Schatten
Sein Fuß schon heute geht,
Dann kömmt er über Matten
Und alles ist verweht,
Die Seufzer und die Thränen,
Sie löscht das neue Glück,
Und Hoffen, Fürchten, Sehnen
Verschmilzt in Einen Blick.

[68] Treue

Treue Liebe dauert lange,
Ueberlebet manche Stund,
Und kein Zweifel macht sie bange,
Immer bleibt ihr Muth gesund.
Dräuen gleich in dichten Schaaren,
Fordern gleich zum Wankelmuth
Strum und Tod, setzt den Gefahren
Lieb' entgegen treues Blut.
Und wie Nebel stürzt zurücke
Was den Sinn gefangen hält,
Und dem heitern Frühlingsblicke
Oeffnet sich die weite Welt.
Errungen
Bezwungen
[69]
Von Lieb' ist das Glück,
Verschwunden
Die Stunden
Sie fliehen zurück;
Und seelig Lust
Sie stillet
Erfüllet
Die trunkene wonneklopfende Brust,
Sie scheide
Von Leide
Auf immer,
Und nimmer
Entschwinde die liebliche, seelige, himmlische Lust!

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TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Des Jünglings Liebe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5671-D