[123] Fahrt nach Mantua

Beschlossen war die Fahrt und doch verzögert.
Wundersame Mähren,
Wie aus dem Dunkel früher Jahrhunderte,
Leben wieder auf und wandeln uns nah.
Es schüttelt bedenklich
Der Vetturin das Haupt,
Der Wirth und die Gäste
Schauen sich ernsten langen Blickes an,
Und an der Furcht des einen
Zündet jener am Funken
Die Fackel seiner Angst.
Ein scheußlich großes Ungeheuer
Lagert auf dem Wege,
Unbeschreiblich ist es, aber kräftig, wild:
Erst nur verschlang es Schaafe und Hammel,
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Dann auch die Menschen,
Wagen und Pferde.
Ist es ein Lindwurm?
Kehren die Drachen denn wieder,
Die wilden Würme,
Die Dietrich von Bern so früh schon vertilgte?
Jammer auf Jammer!
Schon wieder ein Fuhrmann,
Der Angst und Roth
Mit zitternden Lippen berichtet.
Von Mantua aus zog ein Geschwader,
Wohl gerüstet,
Mit Schwert und Lanze,
Und neuen Flinten,
Nicht wenige Mannschaft.
Und Lieutnant weder,
Noch Sergeant, Corporal,
Am wenigsten die Gemeinen,
Haben die Thore der Stadt je wiedergesehn:
Wo sind sie geblieben?
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Mit welchem neuen Kriegesmuth
Muß der Gräuelwurm nun schreiten,
Unüberwindlich trotzen,
So viele Helden im Bauch!
Nun beschwört uns unser Florentiner,
Der selbst gern dem Vaterlande zueilt,
Ja zu warten und zu harren,
Still ergeben,
Bis man merkt wohin sichs wende,
Wenn das neue Commando
Dort aus der Vestung
Mit Artillerie reichlich begleitet,
Dem Ungethüm entgegen eilt.
Doch mit Bitten, Lachen, Drohen,
Schimpfen, Zank und vielem Scherz,
Wird der Zitternde doch bewogen,
Die Thiere einzuspannen.
Der Senat schüttelt das Haupt,
Und sieht uns weislich nach,
Meint am Ende,
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An thörichten Deutschen sei freilich nicht viel verloren.
Hell scheint die Sonne,
Schnell läuft das Fuhrwerk,
Und der Regierer
Hat Augen rechts und links und allerseits.
Alles in Ruhe,
Doch naht nur ein Reiter,
So hält er sinnig an.
Schon entwickelt sich in grüner Ebne
Die Vestung dort,
Sein Muth erwächst so mehr und mehr,
Er treibt die Rosse
Und an dem Thore
Sind wir geflügelten Laufs.
Welch Menschengedränge!
Welch Toben! Welch Erzählen!
Welch Jubelgeschrei!
Und aus dem Irrsaal
Vernimmt man die Mähre,
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Das Furchtgethier
Sei eingefangen,
Von kühner Heldenfaust erlegt,
Und dort auf dem Rathhaus für wenige Groschen zu sehn.
Wir steigen ab,
Und folgen dem Zuge.
Was war das Gespenst?
Ein mäßiges Wölflein,
Dem man mit Pflöcken
Den Rachen aufgesperrt,
Daß die poetischen Menschen,
Die Phantasie begabten,
An seinem nicht großen Gezahn
Sich schaudernd ergötzten.

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TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Dritter Teil. Reisegedichte eines Kranken. Fahrt nach Mantua. Fahrt nach Mantua. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-572F-C