[190] Heimweh

Oft schon klang ein Ton herüber,
Als wenn er jenseit der nördlichen Berge käme,
Und müde mich und liebevoll grüßte,
Und ich dachte der Heimath
Innig zwar doch ohne Schmerz.
Hör' ich auf den Gassen
Im Volksgedräng' ein deutsches Wort,
So faßt es mein Herz mit Rührung an;
Doch es wandelt vorüber
Und läßt den heitern Geist mir frei.
Aber heut' am frühen Morgen
Wacht' ich auf aus schweren Träumen,
Alle Lieben sah' ich trauernd,
Mein Kindchen sprach in süßen Tönen
[191]
Und rief nach mir, –
Da weint' ich heftig,
Ein mächtiger Schmerz ergriff mein Herz
Und drückt' und preßt' es
Als sollt' es zerbrechen,
Ein Schwindel ergriff mich,
Mein Leben zerrann,
Nichts war Wirklichkeit mehr um mich her,
Alles zerfloß in Tod,
Nur fern stand das Leben –
Da wußt' ich, was Heimweh sei,
Da fühlt' ich, wie der Sohn der Alpen
Sterben könne in der Fremde
An dem mächtig-schmerzlichen Gefühl.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Tieck, Ludwig. Gedichte. Gedichte. Dritter Teil. Reisegedichte eines Kranken. Heimweh. Heimweh. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5745-7