Der Krieg und die deutsche Frau
Neben den evangelischen Pastören hat es im Kriege noch eine Menschengattung gegeben, die gar nicht genug Blut saufen konnte: das war eine bestimmte Schicht, ein bestimmter Typus der deutschen Frau. Die hat wirklich himmlische Blutrosen ins irdische Leben geflochten.
Der Typus, von dem hier gesprochen wird, findet sich besonders im Adel, im gehobenen Mittelstand – bei den Arbeitern ist er seltener, obgleich da häufig der kleinbürgerliche Charakter der Frau vieles zerstört, was der Mann aufzubauen sich müht.
Wer aber mitangesehen hat, wie zur Zeit, als die Oberste Heeresleitung das deutsche Volk täglich einmal herrlich belog, beim Eintreffen der scheußlichsten, widerwärtigsten Nachrichten diese deutschen Frauen vor Freude hüpften, mit glänzenden Augen Hurra schrien, den hat es geschüttelt, wenn er ein Herz in der Brust hatte und nicht nur einen Brustbeutel davor. Jene deutschen Mütter, die ernsthaft und kleingehirnig ausriefen: »Ich bedaure nur, nicht noch einen Sohn zu haben, damit ich ihn dem Vaterlande geben kann« – dieses Geschmeiß von Eltern ist mitschuldig an dem Mord von Hunderttausenden. (Ihr Vermögen geben sie nicht gern her, da wehren sie sich bis zum letzten – aber die Söhne werden dem Vaterland vom Elternhaus gratis und franko in den Rachen geworfen.)
Und weil Frauen Männerwerk, mit dem sie sich einmal befassen, meist viel ernster nehmen als Männer und weil die Frauen selten skeptisch sind, so glaubten diese da und opferten Kinder und Gatten und konnten gar nicht genug bekommen.
Das hat sich kaum geändert. Wie sollte es auch? Die Republik, diese Republik tut nichts für, aber alles gegen den Pazifismus, und Schule, Kino, Kirche und Presse bearbeiten die Frauen, daß Rote-Kreuz-Damen herauskommen oder gar noch Muffigeres.
Weil wir gerade von Muff reden:
Da hat unsere Gertrud Bäumer, die Mutter des Schmutzgesetzes, Verdun besucht. Davon hat sie einen abstrusen und schlecht geschriebenen Bericht gegeben; soweit dieser Stil überhaupt zu verstehen war, wand und drehte sich die Patriotin, fand aber den Mord, der da eine Million Menschen um eine Stadt unter die Erde gebracht hat, nicht ganz und gar herrlich. »Man spürt es bedrückend: die Magie des Heldentums hat ihre Grenzen in der menschlichen Trägheit des Herzens!« Meine Bildung erlaubt mir nicht, dieses Abrakadabra zu verstehen, und es ist nur schade, daß Schopenhauer das nicht erlebt hat. Kurz und gut: keine Hurrapatriotin, sondern schlimmer: eine, die unter gebildeten Redensarten Patriotismus predigt. Aber immer mit der tiefem Einsicht im Strickstrumpf.
Nun gibt es eine ›Frauenkorrespondenz für nationale Zeitungen‹, [267] und in der tobte eine Frau Hindenburg-Delbrück gegen Bäumer nicht schlecht. »Bemakelung der Volksheiligtümer«, und das »deutsche Herz« – und was man so schreibt, wenn die Etatsstellen der Söhne und die Vormachtsstellung der Gutsherrschaft angetastet wird und in Gefahr ist. Mangel an Patriotismus –?
Das ließ Bäumer nicht auf sich sitzen.
Sie schickte an die nationalen Frauen einen offenen Brief; die nationalen Frauen ließen ihr Herz in die Schlüpfer sinken, und Bäumer mußte sich mit ihrem Brief anderswohin flüchten.
Man muß nur einmal lesen, wie diese Demokratin da Pazifismus macht. Sie ringt sich es ab, zu sagen, daß »die Massenopfer des Weltkrieges sich in einem letzten Sinn nicht lohnen« – wobei also wohl zu unterstellen ist, daß sie es in einem ›ersten Sinn‹ allerdings lohnen – und es wird dann gesagt, daß »die seelische Größe des Kriegs in der Form, die er schließlich annahm«, von Bäumern geleugnet wird. Und dann steht da noch etwas von »Einstellungen« und von der »Treue des einzelnen . . . « Aber dazu haben wir ja wohl keine Zeit.
Diese ganze pflaumenweiche Demokratie, die in der Praxis, wie Naumann es getan hat, der Reaktion aus Dumpfheit, aus Schlappschwänzigkeit, aus Halbbildung, aus Instinktlosigkeit die allerübelsten Vorspanndienste geleistet hat und heute noch leistet –: diese Demokratie taugt nichts und ist eine Gefahr, weil sie den guten Willen ihrer Anhänger abfängt. Die halten sich für Republikaner, für Pazifisten, für was weiß ich – und sind es nicht, weil ihre Haltung zu gar nichts verpflichtet. Es ist – wie die Literatur, die diese männlichen und weiblichen alten Weiber produzieren: ein kümmerliches Gesellschaftsspiel.
Wie sich das dreht und windet –! Wie das dienert und angstvoll sich verneigt, wenn die andern die Fahne auf ziehen! Wie sie auch dem kaiserlichen Lappen die Achtung nicht versagen! Wie tolerant sie sind! Wie verständnisvoll! Wie gebildet! Klugschieter.
Wir dürfen uns aussuchen, wer unangenehmer und gefährlicher ist: die mit der Erotik der Uniform leicht durchsetzte Gutsfrau, deren Rätsel auch der nachmals so patriotische Ludwig Thoma nachgespürt hat, weil ja, so sagte er, die Liebe zur bunten Uniform nicht verständlich sei, maßen jener sie sich immerhin dabei auszöge – oder die fein gebildete Demokratenfrau, die Fichte zitiert und Arndt; die das Schlachtfeld von Verdun besucht und darüber leitartikelt – und die, kommts zum klappen, Söhne und Brüder und Gatten ›aus Disziplin‹ für das Volksganze in den Dreck hetzt, so daß sie nachher mit Armstümpfen und zerschossenen Unterkiefern und leeren Augenhöhlen nach Hause kommen. Das macht nichts. Wenn nur das Volksganze heilbleibt.
Bäumer wird sich jetzt sicherlich sehr ›umstritten‹ vorkommen. [268] »Unbeirrt, trotz der Angriffe von rechts und von links . . . « Laß nur, Kindchen. Du bist nicht umstritten. Du bist eindeutig bestimmt.
Als Art- und Volksgenossin eines Geschlechts, das das Niedrigste darstellt, was es zur Zeit gibt: Mitläufer, Zutreiber und Zuhälter des Vaterlandes.
Ich wünsche jedem meiner Leser eine Frau, die ein tapferes Herz hat und ihre Heimat liebt, und die ihre Kinder groß ziehen will – zu einem andern Schicksal, als dekoriert in einem Ackergraben zu verrecken.