Der Kriegsschauplatz
– »Hauser! Mensch! . . . lange nich jesehn, was –? Na, wie jehts denn? Mir? Tahllos –! . . . Ja, nu . . . ich war ja auch lange wech! Ja, dreiviertel Jahr, nee, warten Se mal, zehn Monate, zehnenhalb Monate, jenau –! Ja, im Dezember bin ich los – wissen Sie jahnich? Na, Mensch, lesen Sie denn keine Zeitungen? In Sibirien! auf dem K. S. P.! Hauser, Sie leben auf dem Mond! Aufn Kriegsschauplatz –! Kenn Se jahnich? Na, das müssen Sie hörn! Komm Se, wir jehn da rüber in die Stampe und trinken 'n Schnaps! Das wissen Sie jahnich? Also passen Se auf:
Sie kenn doch den General Wrobel, was –? Son kleener Dicker, nich? Na, also der hat doch vor zwei Jahren auf der Fronttahrung in Dortmund den Vorschlag gemacht – mir ein Kührassao – nee, warten Se mal, 'n Kirsch . . . 'n großen Kirsch! ja, für den Herrn auch – oder nehmen Sie lieber . . . ? also in Dortmund den Vorschlag gemacht, es müßte für alle nationalen und wehrfähigen Elemente ein Kriegsschauplatz einjerichtet wem. Zur Ertüchtigung der Jugend . . . Wie er auf den Gedanken gekommen ist –? Sehr einfach. Da hattn die radikalen Blätter doch geschrieben: ›Wenn die Herren Krieg führen wollen, dann sollen sie sich ihren Kriegsschauplatz allein aufmachen!‹ Ham wir jemacht! [32] Prost! Burr, Donnerwetter, der hats in sich! Kenn Sie den Witz mit dem Bauer, der im Chausseegraben sitzt und grade einen nimmt und sich schüttelt, kommt der Pastor vorbei und sagt: ›Na, Krischan, du saufst zwar; aber ich sehe, daß du dich schüttelst – das ist der erste Schritt zur Besserung –!‹ Sacht der Bauer: ›Nee, Herr Pastor – det tu ick man bloß, damit der Schnaps überall hinkommt –!‹ Ja, was ich sagen wollte: also einen Kriegsschauplatz zur Ertüchtigung der wehrkräftigen Jugend, der Volkskraft – na, Sie kenn ja die Sprüche. Also gut – mein Wrobel los, aufs Reichswehrministerium, zu den Russen, nach Genf, nach Paris – fein jelebt der Mann . . . hats aber zustande bekommen. Da ham se uns nu also janz klamheimlich einen kullessalen Kriegsschauplatz in Sibirien hinjemacht! Den Franzosen haben wir jesacht, es wäre jejen die Bolschewiken, Grumbach glaubt, was Breitscheid sagt, die informieren sich jejenseitig, ja, und den Engländern ham wir jesacht, es wär jejen die Franzosen, den Russen haben wir jesacht, wir würden ihr Heer orjanisieren, na, und die Reichswehr macht ja sowieso mit. Bon.
'n paar hundert Werst hinter Krasnojarsk, wissen Sie, wo diß is? Also – wenn das hier der Jenissei is un die Streichhölzer die obere Tunguska un Ihre Ziarettendose das Sajanische Jebürge, denn wah diß hier unser K. S. P. Na, ne Abkürzung muß det Ding doch ham – ham wa so jenannt. Prost! Sie, tahllos, sag ich Ihnen! Also einfach: feinknorke! Passen Se auf:
Det Janze wah mit Stacheldraht einjezäunt, det keener rin konnte und keener raus. Un alles da, Sie –: Schützenjrehm und Front und Achtilleriestellung und Beobachtungsstände und Feldtelefong und alles. Na, und eine Etappe! Lieber Hauser, da könn Sie jahnich mit! Also jeder Stab hatte ein mächtiges Haus, mit zwei Kasinos, la im wahrsten Sinne des Wochtes. Vapflejung wie sich diß jehört: wunderbare Weine, hat det Rote Kreuz gestiftet, die Leute sind ja sehr international . . . und Schnäpse, na, dagegen is diß hier das reine Bitterwasser – Ober! Herr Ober! mir noch 'n doppelten Kirsch, ja, für den Herrn auch – und Feldpastöre und Orrnanzen und Nachrichtenoffziere und Ballon-Abwehr-Kanonen und Flaks und Funk und alles. Ja, unne Flotte ham wah auch jehabt, die fuhr imma den Jenessei rauf und runter, un Exzellenz Ludendorff und Brüninghaus und Killinger – die wahn alle da. Alle. Da beißt keine Maus 'n Faden von ab. Prost –!
Ick wah Felllleutnant – erst Fellll – und denn Felllleutnant. Ja, 'n Feind hatten wir auch.
Die Herren hatten sich bei der Konschtituierenden Jeneralversammlung so lange rumjezankt, bis da würklich zwei Jruppen waren, eine jrüne und eine rote, und die eine war der Feind von der andern. Na, einmal is es auch zum Jefecht jekomm . . . sonst ham wa ja mehr organisiert, ja. Aber einmal ist es zum Gefecht jekomm – vierhundert Tote; der Jasoffizier, diß wah 'n Jroßaktionär von Leverkusen, der war besoffen und hat [33] nich aufjepaßt, un da hat seine Jaskanone funktioniert, und so is es denn passiert. Die Panjes? Nee, die wahn nich da. Das heißt: die Mannschaft mußte doch wat ham – zum Requirieren un die Weiber un so. Da ham wa denn zweihundert Meechens reinjesetzt, mit ihre Kerls, das war die Bevölkerung, die machten die Einwohner, sozusagen. Na, un bei die jingen die, und wir auch manchmal, det heißt, wir ließen sie in Stab kommen . . . ein Budenzauber ham wa da valleicht jemacht! Doll. Prost –!
Wieso ich nu wieder hier bin? Ja, Hauser, Sie wern lachen, es ist ja auch sehr komisch . . . wie soll ich Ihn das erklären . . . Hörn Se zu. Es hat mir auf die Dauer keen Spaß jemacht.
Wir hatten doch alles, nicha? Kriechskorrespondenten – ich hab selber einen in Hintern jetreten – Feldrabbiner . . . die Korrespondenten und die Rabbiner, diß wahn die einzigen Juhn aufn K. S. P. – wir hatten doch wirklich alles . . . aber, wissen Sie: mir hat was jefehlt. Ich haa manchmal, wenn ich nachts die Posten revidiert habe, und wenn ich denn so mit meinen Gott und meinen Suff alleene war – denn hab ich so nachjedacht, warum mir diß kein Spaß macht. Was mir eijentlich fehlt. Denn mir hat was jefehlt, Hauser . . . Prost! Wissen Sie, was mir jefehlt hat? Sie, deß wahn doch alles Freiwillje, die da wahn, nicha? Die wollten doch alle – vastehn Se?
Det machte keenen Spaß. Sie, ich habe doch jedient, vorn Krieje habe ich meine vierzehn Jahre runterjerissen; ich weeß doch, wies is. Sie, wenn sie denn so ankam, die Rekruten – in Zivil sind sie immer an ein vorbeijejangen, aber nu auf einmal wahn se jahnischt mehr. Sie – da wurn se janz kleen! Da kam se denn an, und die Kellner wollten kellnerieren, und die Schohspieler konnten auf einmal schreihm, in die Schreibstube, und die Herren Rechtsanwälte . . . und denn jing det: Herr Feldwebel vorne und Herr Feldwebel hinten – wir hatten se doch, vastehn Se! und wat se konnten, det machten se denn vor, wie die kleenen dressierten Hundchen! Und janz nah ranjehn konnte man an se, und nicht mucksen durften se sich, janz still ham se jestanden und ham een bloß anjejlupscht! Ich wußte doch, was die dachten! Aber denken jabs nich. Immer denk man, dacht ick. Disseplin muß sind! Det wah da nu alles nich. Die Bevölkerung kniff doch een Oohre zu, wenn wir jebrüllt ham und alles zerteppert ham – es war doch vorher alles bezahlt! Wie in die Schmeißküche. Die Mannschaften, die wahn doch ooch bessahlt . . . Uns fehlte ehmt der, der nich wollte, vastehn Se? Da fehlte ehmt das Widerstrehm; der Widerstand, det unbotmäßje Element, sozusagen – ehmt die Sozis, nee, die nich, die wolln ja . . . aber die Kommenisten und die Pazifisten und die Weiber, die wirklich heulen, wissen Sie, wo det echt is . . . die Meechen, die einen anbeten, weil se an ein jlauben; die Lümmel auf der Straße, die sich vakriechen, wenn unsereiner kommt; die Beljier, die man konnte knuten – Sie! es war nicht echt – vastehn Se mich? Es war Falle.
[34] Da bin ick denn abjehaun. Die kämpfen da noch . . . aber der richtige Frontjeist ist det nich mehr. Die meisten ham auch schon 'n kleinen Laden aufjemacht; Ludendorff is Maurer jeworn, der hat 'n Maurerei, Tirpitz vakauft Bartwuchsmittel, und Noske zücht Bluthunde, die vadien schon janz hipsch. Hakenkreuz am Stehl . . . am Stahlhelm – wa doch ne schöne Zeit! Aber det richtche war et nich. Nu willch mich mah in Berlin umsehn – in die Autobranche oder bei die Industrie – die brauchen ja immer een zum Orjanisieren . . . denn orjanisiert muß sein. Jejen die Arbeiter, wissen Sie –! Ja, nu bin ich wieder da.
Na, un was ham Sie die janze Zeit jemacht –?«