Löwenliebe

Als jener junge Schopenhauer
am Löwenkäfig in Berlin
der gelben Bestien Wollustschauer
sah stumm an sich vorüberziehn –
da schrieb er auf in seinem Büchlein:
»Der Löwe liebt nicht vehement.
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Von Leidenschaft auch nicht ein Rüchlein;
der schwächste Mann scheint mehr potent.«
Der Wille macht noch kein Gewitter.
Gehirn! Gehirn gehört dazu.
Der muskelstarke Eisenritter
gibt bald im Frauenschoße Ruh.
Du liebst. Und heller noch und wacher
fühlt dein Gehirn und denkt dein Herz.
Der Phallus ist ein Lustentfacher –
du stehst und schwingst dich höhenwärts.
Du liebst. Wo andre dumpf versinken,
bist du erst tausendfältig da.
Laß mich aus tausend Quellen trinken,
du Venus Reflectoria –!
Berauscht – ach, daß ichs stets so bliebe!
Getönt, bewußt, erhöht, gestuft –
Das ist die wahre Löwenliebe.
Du Raubtierfrau!
Es ruft. Es ruft.

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TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1920. Löwenliebe. Löwenliebe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5FF0-9