Schnipsel

Das Christentum ist eine gewaltige Macht. Daß zum Beispiel protestantische Missionare aus Asien unbekehrt wieder nach Hause kommen –: das ist eine große Leistung.

Ein Mitarbeiter dieser Blätter hatte einst einen sonderbaren Traum. Er träumte, daß er sein Abitur noch einmal machen müßte, und das Thema zum deutschen Aufsatz lautete: »Goethe als solcher.«

Die Amerikaner kommen bestimmt alle in die Hölle, besonders die frommen – aber eines wird ihnen hoch angerechnet werden: das ist ihr Humor.

Im ›Life‹ neulich: Da sitzen zwei Kaufleute schluchzend am Schreibtisch und lesen und kramen in Skripturen. Was tun sie –? Sie sehen sich die alten Orders aus dem Jahre 1928 an.

[60] Es ist sehr schwer, nachzuschmecken, was hier so gut mundet. Es ist, wie wenn einer alte Speisekarten noch einmal nachliest, erhöhte Tätigkeit der Mundspeicheldrüsen . . . warum muß man da lachen?

Was denen in ›Life‹ und im ›New Yorker‹ einfällt –: ach, daß wir das doch hätten! Es ist wohl so: sie kommen in ein lustiges Fegefeuer und wir in einen ernsten und durchaus sachlichen, in den Landesfarben angestrichenen Himmel.


Weil wir grade von ›Life‹ reden:

Zu meinem hundertsten Geburtstag wünsche ich mir das Original des Titelblattes, das dort im vorigen April erschienen ist.

Oben, auf dem Gerüst eines Wolkenkratzers, sitzt ein Arbeiter, den sieht man ganz aus der Nähe, ein etwas dreckiger Kerl mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, behaarte Arme, nicht rasiert. Unten auf der Straße stehen, winzig, zwei feine Damen und sehen so zum Haus herauf. Und was tut der Mann –?

Er zieht sich seine Krawatte grade.

Das Bild trug keine Unterschrift.


Es gibt deutsche Katholiken, die zerreißen sich fast das Maul darüber, daß die Kommunisten »ihre Befehle aus Moskau entgegennehmen«. Und woher bekommen jene ihre Befehle? Aus Rom. Wird jemals ein deutscher Katholik Papst?

Das Papsttum ist seit Jahrhunderten eine italienische Prärogative.


Die meisten Leute wissen gar nicht, daß sie im Jahre 1932 leben. Die andern können sich nicht darüber beruhigen, daß sie im Jahre 1932 leben.

Pressefreiheit ist einmal ein gutes politisches Schlagwort gewesen. Was heute verlangt werden muß, ist: Filmfreiheit und Rundfunkfreiheit. Die Zensoren machen aus beiden einen Kindergarten.

Ein skeptischer Katholik ist mir lieber als ein gläubiger Atheist.

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TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1932. Schnipsel [4]. Schnipsel [4]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-62DF-D