Die Beleuchter

»Die Hauppsache bein Theater is: nur die Ruhe nich valiern! Wat wehrn die denn ohne uns –?

Sehn Se, son Beleuchter kann nich jeda sein; det isn Beruf, der will jelernt sin. Wir missn die Lampen abmontiern und die Leitungen lejn und alles sowas – na ja, det is ja annerswo ooch . . . aber sehn Se, 'n Theater – det is manchmal die reine Verricktenanstalt.

Die Schohspieler sind ja soweit nette Leute – aber wissen Se, die Leite sind ja plemplem. Mensch, wenn se denn schon komm uff de Probe, imma beleidicht sind se – wir frahren uns ofte: wat ham die bloß? Imma is wat. Mal is een die Rolle zu klein und denn wieda zu jroß, und wenn der Regissör sacht: Hier, bei die Stelle, da jehst du hier rieba – denn macht der ein Heck-Meck! Er jeht nich rieba! er bleibt hier stehn, hier uff diesen Fleck! und er jeht bein Direktor, sich beschwern . . . nu sahrn Se mal: kann det den Mann denn nich janz jleich sein? Nee – es is wejn die Würkung.

Neilich, diß war 'n Feez! Da hatte Otto ein jenomm, wir wahn vorher drüben bei Beetz jewesen, weil seine Olle hatte Jeburtstag, und da hatte er een ausjejehm. Is jut. Ick kucke noch so uff die Uhr, ick sahre, Kinder! sahre ich, es is hechste Eisenbahn – die fangen ja sonst drieben ohne uns an! Also wir rieba, ick seh schon imma, wie mein Otto so janz leise schaukelt, na, es war kaum zu merken . . . [300] aber wir wußten doch Bescheid. Immahin: der Mann is ein erfahrener Fachmann, den passiert nischt, da kann er jetroste ein jenomm ham. Is jut.

Indem kommt König uff die Biehne, Paul König, Se wern ja von den Mann jeheert ham – er is sehr beriehmt, der Direktor hält jroße Sticke aufn – und an den Ahmt machte er den Hamlet. Un an die Stelle, wo det Jespenst ascheint, wir müssen da imma mächtig aufpassen, un alles stand auch richtig in de Kulissen un bei die Schalter – da heer ick pletzlich, wie Schaupieler König imma zu Otton rieba ruft: ›Blau! Blau!‹ – Un Otto zeicht immer uff sich, wie wenn er meent: ›Als wie icke –?‹ – ›Blau! blau!‹ ruft der imma weita – und nu heerten det ooch die annern, und nun fingen wir alle an zu lachen . . . Da schnappte aba Otto in. ›Mein Sie mir?‹ wird er janz laut rufen – und der Inspizient macht schon: ›Psst!‹ und ›Ruhe!‹, un Otto imma weita: ›Als wie mir? Was fällt denn den ein?‹ un der Feierwehrmann guckt schon rieba, wat hier is . . . und auf eenmal jeht König an die Kulissen und ruft – also wir dachten schon, det Publikum wird det heeren: ›Na wollt ihr nich vielleicht in die Rampe blaues Licht geben –!‹ Vor Angst hat Otto denn rot jeschalt, aber es hat keener jemerkt, und wie allens jlicklich vorbei war, da ham se sich denn vasöhnt, und König hat nachher noch bei Beetz einen ausjejehm, und wie Otto is denn nach Hause jejangen . . . also . . . da wah a aba richtig blau –!

Sehn Se, 'n Theata ohne Beleuchter, det is wie ne Weiße ohne Schuß. Et fehlt was.«


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TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1929. Die Beleuchter. Die Beleuchter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-64BA-B