Schicksalslied

Bald fehlt uns der Wein –
Bald fehlt uns der Becher.

Hebbel

Gehst du abends spät nach Hause,
naßkalt, müde nach der Klause –
mußt du heimwärts hinken?
[9]
Dafür hast du keinen Faible,
und du lugst durch blauen Nebel,
wo zwei Lichter blinken.
Und da ratterts. »Holla, Kutscher!« Der sieht gar nicht hin.
Kommt schon mal ne leere Droschke – dann sitzt einer drin!
Dieses scheint mir allegorisch.
Eine liebt ich dilatorisch.
Wartete sechs Wochen.
Endlich kehrt sie heim zu Muttern.
Darf ich dich mit Liebe futtern?
Hör mein Herzlein pochen!
Doch sie lächelt. »In acht Monden bin ich Wöchnerin!«
Kommt schon mal ne leere Droschke – dann sitzt einer drin!
Neuer Chef im Amt. Wie ist er?
Kabinettssturz. Die Minister
gehen, kommen, wechseln.
Heut auf schwarz-weiß-roten Kissen,
morgen durch die Brust geschossen –
Laß sie Noten drechseln!
Dies, mein Sohn, in einem Satze ist des Lebens Sinn:
Kommt schon mal ne leere Droschke – dann sitzt einer drin!

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TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1921. Schicksalslied. Schicksalslied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6CBC-B