[7] Vorwort
zu der ersten Auflage
1815
Lieder sind wir, unser Vater
Schickt uns in die offne Welt,
Auf dem kritischen Theater
Hat er uns zur Schau gestellt.
Nennt es denn kein frech Erkühnen,
Leiht uns ein geneigtes Ohr,
Wenn wir gern vor euch Versammelten
Ein empfehlend Vorwort stammelten!
Sprach doch auf den griech'schen Bühnen
Einst sogar der Frösche Chor.
Anfangs sind wir fast zu kläglich,
Strömen endlos Tränen aus,
Leben dünkt uns zu alltäglich,
Sterben muß uns Mann und Maus.
Doch man will von Jugend sagen,
Die von Leben überschwillt;
Auch die Rebe weint, die blühende,
Draus der Wein, der purpurglühende,
In des reifen Herbstes Tagen,
Kraft und Freude gebend, quillt.
Und, beiseite mit dem Prahlen!
Andre stehn genug zur Schau,
Denen heiße Mittagsstrahlen
Abgeleckt den Wehmutstau.
Wie bei alten Ritterfesten
Mit dem Tode zog Hanswurst,
Also folgen scherzhaft spitzige
Und, will's Gott, erträglich witzige.
Echtes Leid spaßt oft zum besten,
Kennt nicht eiteln Tränendurst.
Lieder sind wir nur, Romanzen,
Alles nur von leichtem Schlag,
[7]Wie man's singen oder tanzen,
Pfeifen oder klimpern mag.
Doch vielleicht, wer stillem Deuten
Nachzugehen sich bemüht,
Ahnt in einzelen Gestaltungen
Größeren Gedichts Entfaltungen
Und als Einheit im Zerstreuten
Unsres Dichters ganz Gemüt.
Bleibt euch dennoch manches kleinlich,
Nehmt's für Zeichen jener Zeit,
Die so drückend und so peinlich
Alles Leben eingeschneit!
Fehlt das äußre freie Wesen,
Leicht erkrankt auch das Gedicht;
Aber nun die hingemoderte
Freiheit Deutschlands frisch aufloderte,
Wird zugleich das Lied genesen,
Kräftig steigen an das Licht.
Seien denn auch wir Verkünder
Einer jüngern Brüderschar,
Deren Bau und Wuchs gesünder,
Höher sei, als unsrer war!
Dies ist, was wir nicht geloben,
Nein! vom Himmel nur erflehn.
Und ihr selbst ja seid Vernünftige,
Die im Jetzt erschaun das Künftige,
Die an junger Saat erproben,
Wie die Frucht einst wird bestehn.