Die Sommerlaube

Die Laube prangt mit jungem Grün:
Es tönen ihre dunkeln Buchen
Von Vögeln, die voll Wollust glühn,
Von Frühlingstrieben glühn und Scherz und Schatten suchen.
Soll, was der Wahn Geschäfte nennt,
Uns um so schöne Zeit betrügen?
Freund! wer des Lebens Kürze kennt,
Der legt es klüger an und braucht es zum Vergnügen.
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Geneuß den feuervollen Wein:
Beym Weine herrscht vertraulich Scherzen.
Oft ladet Amor sich mit ein,
Und sein verborgner Pfeil schleicht in die offnen Herzen.
Der schlaue Gott ist niemals weit;
Ich wittre seine sanften Triebe:
Denn grüner Lauben Dunkelheit
Ist für den Weingott schön, noch schöner für die Liebe.
Geliebte Schatten! weicher Klee!
Ach! wäre Galathee zugegen!
Ach! sollt ich, holde Galathee,
Um deinen weissen Hals die Arme brünstig legen!
Wo süsser Lippen Rosen blühn,
Wer kann sie sehn und nicht verlangen?
Die jugendlichen Küsse fliehn
Bey welkem Reiz vorbey und suchen frische Wangen.
Ein leblos Auge rührt mich nicht;
Kein blödes Kind wird mich gewinnen,
Das reizt, solang der Mund nicht spricht,
Und eine Venus ist, doch ohne Charitinnen.

Notes
Erstdruck in: Lyrische und andere Gedichte. Neue und um die Hälfte vermehrte Auflage, Ansbach (Jacob Christoph Posch) 1755.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Uz, Johann Peter. Die Sommerlaube. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-72D0-8