[136] Oden und Elegien aus Sicilien

[137][139]

Syrakus

Ja ganz, Marcell, hast du die Gewaltige
Zermalmet, oder glaub' ich der Thräne, die
Du ihr geweint, war's nicht dein Adler
Doch, dein gefürchteter Bote, Vater,
Der Blitze schleudert und Schicksalsrath vollbringt,
Trinakriens vierstädtiges Rom hat er's
Zermalmt und weggetilgt vom Boden,
Tempel zertrümmert und Burg und Mauer?
Des Denkers selbst, des völkerzerstörenden,
Geschonet nicht, und schlangenbekränzt von Mund
Zu Mund gereicht des Wahnsinns Becher,
Den mit der Flamme der Mordwuth Eris
Mit Blut, die streitbegeisterte, bis zum Rand
Gefüllt, vom zarten Weibe, vom Säugling Blut
Gleich fordernd im bachant'schen Taumel
Wie von den Mördern des Königshauses.
So jemand niederschaute vom grauen Fels,
Der einst umstarrt' die Mauer des Dionys,
So er des Berges Schutt und Trümmer,
Hafen und Fels und Dianens Insel
Anblickte fragend: Wo denn erspäh ich sie
Karthagos stolze Siegerin und Athens?
Ich frage Meer und Land: die goldne,
Herrlichste Tochter Korinths, wo ist sie?
[139]
Der Ceres Frucht wohl seh ich in jenem Thal,
Ganz andre Garben aber hat einst sie hier
Die Aehrenleserin, die große,
Hat die Geschichte sich hier gewunden,
Die strenge Thatensammlerin, giftig Kraut
Absondernd von süßnährender Frucht, den Sohn
Der Doris und den Sohn des Töpfers
Scheidend von Hierons bessrem Glücke.
O weintest du, Zerstörer, was bliebe noch
Der Nachwelt? Schutt und Grausen von Labdals Burg
Von meerumrauschter Akradina
Bis zu Kronions verwaisten Säulen!
Nur Steine, wo einst Thaten und Tugenden;
Der fromme Stier, wo einst der Tyrann sein Volk
Beschaut; der Mühle Schäumen, wo einst
Sophokles göttlichste Sprach' ertönet;
Des Klosters stiller Garten und Blumenweg,
Wo in gigant'scher Grotten Umschattungen
Athens unzählig Heer und Nikias
Qualen des Henkers und Tod erharret.
Das Maulthier wandelt felsige Wildniß hin,
Wo Musen sangen; Hirten und Bettler sind,
Wo mit Jonen und Platonen,
Wo sich mit Timoleonen Freiheit
Und Weisheit fand zu geistigstem Heldenbund
Und selbst die Grazie Männer zur Schlacht geweiht.
Von solchem Bunde bessrer Schwestern
Blutig getrennt hat sich nun die Nachwelt.
[140]
Noch wie dem grauen Archias glänzet uns
Das Meer, die milden Lüfte, das reine Licht;
Umrauscht noch von Aegyptens Büschen
Lebt in der Quelle Cyanens Fabel,
Und Arethusa sprudelt die salz'ge Fluth
Noch an Ortygias Ufer mit alter Kraft,
Durchglüht der Sonnenstrahl des Gottes
Süßeste Frucht, der Begeistrung Freundin.
Der Mensch nur leidet. Nimm der Natur des Lichts
Erschaffend, hold erhaltend Geschenk, sie stirbt,
Dem Menschen gleich, dem längst des Lebens
Stolzeste Quelle versiegt, die Freiheit.

Die Villa des Timoleon

Wär's eine Nymphe, die in der Einsamkeit
Dem Wandrer sich verräth? Im Gebüsch vielleicht
Verborgen lauscht das holde Wesen
Und dem Erschöpften ertönt die Stimme:
Komm, labe, Wandrer, dich und Epipoli
Gestärkt besteigst du! Täuscht' ich mich nicht, es quillt
Vom Felsen sprudelnd und der Bäume
Freundliche Schatten verbreiten Kühlung.
Dem Berg entsproßt großblätterig Indiens Frucht
Voll Purpurfeigen, auch die Cypresse ragt,
Es reift die Goldorang' und lieblich
Birgt sich im ewigen Grün die Mühle.
Ich trinke; dankt' ich's, lauschende Nymphe, dir?
O welche Stille! Wohnte die Schwermuth hier,
Der Schmerz, vielleicht verkannte Tugend,
Oder die Weisheit, die Völkern Heil bringt?
[141]
Timoleon, o Name mir werther selbst
Als Recht und Tugend, Wort und Gedanke nur!
Du bist die That! Es schuf den Menschen,
Schuf auch die Erde des Gottes That nur.
Timoleon, dir bietet der Denker selbst,
Der Seher des Cefiß, der unsterbliche,
Das Haupt; was er im Geiste geträumet,
Doppelt hast du's in der That geschaffen.
Sah je im Tempel größeren Sterblichen
Ortygias Gottheit? Gelon, der Alte, nicht,
Nicht Hermokrat, nur Einer ist hier,
Nur Aristomaches Bruder ähnlich,
Der Mann, der einst den Weisen von Griechenland
Das Schwert umgürtet und den Tyrannen schlug,
Ein Gott und Retter heut gefeiert,
Morgen gemordet von schnöder Habsucht.
Timoleon, ertöne dein Name mir
Noch einmal! Großer Vater des Volks, du hast
Zertrümmert des Tyrannen Burg und
Hast auf den Trümmern gestürzter Herrschaft
Dir selbst den Thron, Großmüthigster, nicht gebaut,
Wie Menschen pflegen, hast den Entfesselten
Der Freiheit Haus und seine Säulen,
Weiser Gesetze Geschenk verliehen.
So, nach vollbrachtem Werke, du blinder Greis,
Rathgeber, angebeteter stets des Volks,
Tratst du in Einsamkeit und Ruhe,
Ruhe genießend, denn Ruhe schufst du.
[142]
O Brudermörder, wie doch erhabener
Bist du als jener Römer, der Sieger, doch
Zerstörer ist. Zweimal gestritten,
Zweimal entsagt und befreiet hast du.
Und gält' es eines anderen Bruders Blut,
Fürs Heil des Volkes fließ' es und Vaterland,
Und göttlich dünke mir dein Herz und
Schön wie die Liebe der Dioskuren.

Die Tempel von Agrigent

Glanzreichste Tochter, dor'sche, des Ruhmes voll
Und Goldes, stolz am Ufer des Akragas,
Am Heerd, dem nährenden, der Waffen
Blut'gen Triumph mit der Lust vertauschend,
Die aus olymp'schem Göttergelage nur
Dem Sterblichen hellen'scher Geburt des Zeus
Huldgöttinnen ins schöne Leben
Hauchten, Persephones heil'ger Wohnsitz,
Noch sinn' ich, ob Ortygias Fall, ob nicht
Dein Sturz ein schicksalschwereres Loos dem Gott
In zweifelhafter Hand geschwanket,
Königin, holde, der blum'gen Hügel.
Folg' ich dem Strom festfeiernden, bunten Volks
Zur heil'gen Anhöh'? Ueber die Felsmau'r ragt
Der Säulen dor'sche Majestät, von
Kränzen geschmückt der gewalt'ge Tempel.
Und silberweißen, langen Gewandes naht
Der Priester Festzug, heil'ger Gesang erschallt,
Die Opfernden sie nahn, der Stiere
Trotzige Kraft von der Blumen Anmuth
[143]
Und priesterlicher Teppiche Pracht bedeckt
Und hold verschleiert wandelt in Schüchternheit
Der Jungfraun aufgeblühte Jugend
Rosen ums Antlitz und Rosen ähnlich.
Nicht fehlet auch der Rosse gerühmter Stolz,
Denn gute Art zeugt Cocalos Burg, sei's nun
Im Kampfgewühle sie zu tummeln
Oder zu siegen im Spiel Olympias.
Der Wägen auch, der glänzenden, folgen viel,
Denn weichlich lebt der Bürger am Akragas,
Reich ist er fast wie seine Götter,
Denen er Tempel gebaut und Altar.
Schon dampft das Opfer, aber vom Säulenhaus,
Dem priestervollen, blickt auf die Glücklichen,
Die Schönen Aug' und Herz der Starken,
Die sich zur Feier des Gotts versammelt.
Und Volk beschau' ich, unübersehbares,
Und Meer und Hafen, auch die geschmückte Stadt,
Und Athenaeas Fels und oben
Zeus Atabirios goldne Wohnung.
Nicht wein' ich mehr dem Menschengeschick; denn schnell
Und leer, bestandlos wandelt's, den Wolken gleich,
Die um die Sonne wehn, die ew'ge,
Ueber die Erde dem Nichts entgegen;
Nicht mehr den Männertugenden, Wolken auch
Sind sie, durchglüht nur stark von des Himmels Gold,
Nicht mehr der Tapferkeit, den Wettern
Gleicht sie, die segnen im Sturm und Donner;
[144]
Nicht mehr dem Glück, das Perlen wie Morgenthau
Ausgießt im Frühschein, Perlen, die Stunden kaum
Der Ros' entglänzen und vergehen,
Während die Blume verwelkt am Mittag.
Wenn auch dein Bild, freigebigster Gellias,
Der jeden Wandrer lud, und der Sieger mich
Olymp'schen Kampfes – dreimalhundert
Folgten ihm prangender Ross'gespanne –
Wenn auch die Braut mich mahnet, der Hymens Brand
Von allen Tempeln leuchtete; dennoch nicht
Verwundr' ich des mich, dennoch frag' ich
Nicht, wie es kommen und wie's geschwunden.
Das aber dünkt mir schwer und mit Angst erfüllt's,
Mit staunender, das zweifelnde Herz, gestürzt
Und fürchterlich zur Erde nieder
Sah ich geschmettert der Götter Tempel.
Giganten trugen, mächtigen Arms, die Last
Des Riesenhauses, daß es der Ewigkeit
Den Dienst des Donnerers bewahre;
Selbst die Giganten zertrümmert sind sie.
Seitdem mich solche Trümmer umstarrt, seitdem
Zernichtet mich ein ganzer Olymp umgraust,
Der Vater und die Kinder alle;
Glaub' ich, daß bald von gedrückter Schulter
Die Welt dem großen Träger entsinkt, und bald
All unsres Lebens Mutter Natur der Macht,
Der dunkeln, unterliegt, die endlich
Selbst sich zerstört im zerstörten Weltall.

[145] Kaiser Friedrichs des Zweiten Sarg

So je im Tempel Ernstes und Heiliges
Das Herz mir traf in großen Entfaltungen,
Des Gottes dunkle Offenbarung
Schauer mir goß in des Geistes Tiefen,
Und wär' es Blut und Leib des Erlösers selbst,
Da ihn mein Mund berührte zum erstenmal,
So Unaussprechliches im Herzen
Nicht an der Treppe des Altars fühlt' ich,
Und zürnte mir der Himmel und zürnte mir
Die Erde, die im Staube Gebete lallt,
Doch sei's bekannt, vor deinem Sarge
Feiert' ich größere, kühn're Andacht.
Du hier, o ew'ge Glorie des Vaterlands,
Des deutschen Scepters herrlichster Fürst und Held,
Du Schöpfer nie gewagter Thaten,
Kämpfer des Lichts und der bessern Wahrheit,
Der größer als der Sieger der Hydra einst,
Der sichtbaren, mit schrecklicherm Feinde rang,
Mit gift'germ Ungeheur, mit blut'germ;
Ohne Gestalt und verwundbar Wesen
Trug es so viel der Häupter, der streitenden,
Als Herzen athmen, flammende Nahrung sog's
Im Osten, Schweif und Drachenflügel
Schlug den zertretnen, zermalmten Abend.
Des Rachens unersättlicher Schlund am Strand
Des Tibers gähnt' er, Throne zertrümmert' er,
Ein groß Jahrtausend war sein Leben,
Rühmt' er nicht selbst sich des Himmels Wächter,
[146]
Dein Feind, o Friedrich? Größern bekämpfte nie
Ein Held, sei's denn der Engel des Schwerts vielleicht,
Der Belial schlug. O Staub des Herrschers,
Betet' ich Irdisches an, du wärst es.
Des Bannstrahls denk' ich, den aufs gekrönte Haupt
Roms frechster Priester schleuderte, Volk und Land
Mit Fluch beladend und der Menschheit
Heiligste Fesseln, der Wüthrich, sprengend.
Du aber, Kaiser, weintest in hohem Zorn
Und riefst: Des Reiches Kronen o bringt mir sie!
Und aufs geweihte Haupt sie setzend
Sprachst du in Flammen gekränkten Herzens:
Wer nähme mir die Krone von diesem Haupt?
Der Worte denk' ich, und in der Seele mir
Grollt bittrer Zorn; vom Sarge, dünkt mir,
Stiegest empor du in deiner Hoheit,
Des Domes Säulen stürzend und fragend: Wer,
Wer nähme mir die Krone vom Kaiserhaupt?
Und Hände ringend, Tod im Auge,
Riefe der Staufe: Wo ist mein Enkel?
Sein Blut komm' über euch und den Priesterstuhl,
Mein letztes Blut, mein theuerstes, über euch
Komm' es! Gerichtet hat die Stimme
Längst schon der Menschheit, und kommen wird er,
Der Tag, wo Jener richtet, der mich dem Staub
Anheim gab, fordern wird er von euch die Schuld,
Und ist auch dreifach eure Krone,
Dreifach mit Greueln beladen ist sie!
[147]
So dünkt mir, spricht weissagend der Geist; doch längst
Grollt ihm der Priester, grollt ihm die Mutter selbst,
Die allbarmherz'ge, nicht mehr; friedlich
Ruhet im Tempel des Kaisers Asche.
Und fern vom goldnen Altar erschallt der Chor
Zu Friedrichs Einsamkeit und des Vaters Sarg,
Als wollt' er ihren Zorn, als wollt' er
Reuig den rächenden Gott besänft'gen.

Sicilianische Lieder

Erstes Lied

Tage verstreichen an Tage; noch immer im heiteren Zankle
Hält mich die Sonne, die Lust, hält mich die Laune zurück.
Runzle die Stirn, dich ergreife der Ernst altgriechischer Vorwelt,
Dank es dem Glück, dich umglänzt endlich trinakrische Luft.
Der Pelorias hier und die sandige Zunge des Faro,
Ueber des Meeres Azur lockt dich Kalabrien dort.
Hier am Horne des Stiers durchschwamm Herakles die Wogen,
Hier mit Strudel und Tod kämpfte der Dulder Ulyß.
Still, o nordischer Freund, und zürne mir nicht, ich gestehe,
Manche Scylla hat mir, manche Charybdis gedroht.
Zwinge zum Ernst mich nicht, dem Gemüth vergönne die Freiheit,
Bleibe dem denkenden Ernst, bleibe dem Scherze sein Recht.
Sie gehorchen dir nicht, du bist ihr Diener, ihr Priester,
Höheren folgst du, sie sind dir der begeisternde Gott.
So das Heiterste nur, das Fröhlichste lächelt mir heute,
Und ein seltenes Glück wagt nur ein Thor zu verschmähn
Hat ja den nordischen Gast am Strand schon Amor empfangen,
Als er zum erstenmal Sikulerboden betrat.
[148]
Ist's ein Wunder, das ich der Chalcidenser und Samer,
Spartas wenig und Roms oder Karthagos gedacht?
Denn ans Fenster führt mir der Schalk ein liebliches Mädchen;
Erst nur Blicke, doch bald folgt der verstohlene Gruß.
Und man redet mit Zeichen, man redet mit Augen und Händen;
Andere Sprache vergönnt lauschende Nachbarschaft nicht.
Kannst du lesen, mein holdestes Kind? so frag' ich mit Zeichen
»Ja«, ist die Antwort. Im Nu liegt auch ein Briefchen bereit.
Und beschwert mit dem Kiesel, damit es der Wind nicht entführe,
Fliegt es ins Fenster und schnell hebt sie erröthend es auf.
Goldne Minuten erwartender Angst, und die zärtliche Antwort
Eilt den gefährlichen Pfad schon in mein Fenster herein.
Worte der Liebe. Wie bin ich dir gut, doch im Hause, mein Liebling,
Darf ich dich jetzt noch nicht sehn, aber heut Abend gewiß.
Zweimal noch durch die Lüfte geleitet Amor die Briefe;
Und der Abend, er naht schon mit beglückendem Schritt.
Bläuer rollet des Meeres Krystall und in glühendem Dufte
Schimmert das holde Gebirg, schimmert Kalabrien schon.
Und die dämmernde Nacht, bald deckt ihr Schleier die Erde,
Und der glückliche Wahn wird dem Verliebten enttäuscht.
Eines Andern Geliebte! Warum nicht? Wundre dich nicht mehr;
Treulos bist du und willst Treue vom schwächeren Weib?
Freund, genieße; du achtest es nur, so lang du's ersehnest;
Hast du genossen, es folgt gleich die Verachtung ihm nach.
Nur das Edlere bleibt und das Edlere such in der Seele,
Ueber dem Wechselnden steht's ewig das dauernde fest.

[149] Zweites Lied
Die Felsen der Cyklopen

Wandle die Gärten, die blühenden, hin am Fuße des Aetna,
Purpurn bietet dir noch Indiens Feige die Frucht.
Schwellend drängt sich zur Erde die Traub' und rankt um die Säule,
Ueber dem niedrigen Dach lacht die Orange dir zu.
Haus und Garten umschließt das düstere Lavagemäuer,
Ueber vulkanisch Gestein führet die Straße dich selbst.
Da ermangelt das liebliche Grün, du wandelst in Felsen;
Eine Wildniß erschließt sich dem befremdeten Blick.
Unten rauscht um das Felsengestad die krystallene Woge,
Die das mildeste Licht südlichen Himmels durchglänzt.
Kaum entdeckst du das Dörfchen am öden Ufer des Meeres,
Fischer nähret in ihm, ärmliche, Vater Neptun.
Doch gewaltig entsteigen der Fluth die cyklopischen Klippen,
Schwarzen Thürmen vergleichst du ihr gigantisches Bild.
Hier, o Muse Homers, naht' einst der troische Wandrer
In zehnjähriger Fahrt irrend Trinakriens Strand.
Und des Ithakers denk' ich, des schlaun, dem in mächtiger Höhle
Der gefräß'ge Cyklop Freund' und Gefährten verschlang.
Doch er blendete tapfer den Feind und mit blöckender Heerde
Stahl sich der griechische Held muthig die Grotte heraus.
Aber die Felsen, wo oft in der Barke der Fischer mich rudert,
Warf der ergrimmte Cyklop nach dem entflohenen Feind.
Dank, o Vater Homer, am Strande des waldigen Aetna
Irrend, wie Dulder Ulyß, hab' ich dein Märchen gefühlt.
Doch gern denk' ich den Sohn der Erde mir auch, da der Liebe
Schelmischer Gott ihm ins Herz blutige Pfeile gesandt,
Da er gelagert am felsigen Strand der Nymphe des Meeres,
Ein Verschmähter, den Schmerz brennender Liebe geklagt.
[150]
Und wie gerne der Mensch in Anderer Leiden und Freuden
Seines Herzens Geschick thätig genießt und beweint,
Wie der griechische Wandrer mir oft die eigene Irrfahrt
Auf der flüchtigen Welt täuschenden Bahnen gezeigt:
Kehrt mir vergangene Liebe zurück und vergangener Kummer,
Und am Ufer erschleicht manche Erinnerung mich.
Nymphe der blauen Wellen, so noch den krystallenen Abgrund
Deine Gottheit bewohnt, höre den Flehenden an.
Dünke mein Wort dir albern wie einst das Liebesgeplauder
Des Cyklopen, es sei doch mein Gedanke dir kund:
Viel einst hab' ich geliebt und Alles hab' ich verloren,
Was ich mir treu, was ich einst mein bis zum Grabe geglaubt.
Unaussprechlicher Schmerz erfüllte da mir die Seele;
Denn an ein fremdes Sein hatt' ich das eigne geknüpft.
Einem Baum verglich ich mein Herz, den die Wetter geschlagen,
Dem schon im Frühling der Sturm Blüthen und Blätter geraubt.
Doch nun seh' ich ihn männlich gereift im heiteren Sommer
Kräftigen Stammes und tief wurzelnd im fruchtbaren Grund.
Früchte trägt er, und glücklich enttäuscht auf die Träume der Jugend
Blick' ich zurück und es ist nun auch die Ernte nicht fern.
Drum verarge mir nicht, o verschmähende Göttin des Meeres,
Such' ich mein höchstes Glück jetzt in der Liebe nicht mehr.
Sei ihm offen das frische Gemüth, doch begnüge sich Amor,
Freund und Gespiele, doch nicht Herr und Gebieter zu sein.
Noch, Galathea, hat mich kein sprödes Mädchen verschmähet,
Aber trifft mich das Loos, bin ich zu dulden bereit.

[151] Drittes Lied
Religionen

Laßt mich schwärmen und quälet mich nicht; im Lande der Fabel
Leb' ich, so sei auch mein Herz, sei auch mein Lied ihr geweiht.
Bleibt in den Fesseln und glaubt was euch die Amme gelehret;
Anderes aber bewegt mir den entbundenen Geist.
Dieser Boden, er trug der Offenbarungen jede;
Jupiter, Mahom und Christ glaubt' und verehrte man hier.
Drum verarget mir nicht, wenn mir der Tempel Girgentis
Mehr als der maurische Dom Opfer und Andacht verdient;
Wenn dein uranisches Wundergebild, Syrakus, wenn die Göttin
Mehr als das heilige Holz heute dem Auge gefällt.
Dir gestatt' ich dafür, daß du deutschthümlicher Salbung
Lebest für gothische Kunst, gothischen Glaubens erstirbst.
Erst ein Jude, dann Christ, erst Protestant, dann katholisch,
Wahrlich ein Heiland, doch erst will ich am Kreuze dich sehn.

Viertes Lied

Glaub' ich's, daß ihr nun auch mein trinakrisch Glück mir beneidet?
Eifrer der Heimath, ihr seid, heilige Frömmler, gemeint.
»Unersättlich nach Sinnengenuß, von Freude zu Freude
Jagt er bethört und bedenkt nicht, daß die Nemesis naht.
Irdischem neigt sich der Sinn, der verwilderte. Bessrer Empfindung,
Frommer und reiner, verschließt er das vergiftete Herz.
Sitte achtet er nicht noch Gesetz, nicht Glauben und Schule,
Den die Willkür allein, den die Begierde beherrscht.
[152]
So der Heimath entflohn von dem ernsteren Gange des Lebens
Schwelgt er in Lust und Genuß selbst bis an Lybiens Strand.«
Schweigt, o Kinder des Lichts, ihr auserkohrenen Lämmer;
Ja, verkünd' ich es nur, größrer Entzückungen Rausch,
Kühnere Orgien feiert' ich nicht, seitdem mir des Lebens
Schäumender Becher den Mund freieren Geistes berührt.
Ja, gesteh' ich's euch nur, ich schämte mich selber der Heimath,
Wärt ihr das Aermlichste nicht, was noch die Mutter gebar,
Zeugte die Stammburg einst, die zertrümmerte, theure, die Helden,
Das unsterbliche Paar, staufische Friedriche nicht.
Hör's, engbrüstig Geschlecht, ich verberge dir nichts, ich bekenne
Stolz und freudig, wie Zeus reich mir die Tage geschenkt.
Bald am Anapus weil' ich, es gleitet der Kahn zu der Quelle,
Und auf dem flüssigen Pfad schattet die Blume des Nils.
Bald umschweben die Göttinnen mich im seligen Enna,
Und die Stunde, da mir Helios einst sich erhob
Ueber des Aetnas Riesengebild, nicht, glaub' ich, ihr gleichet,
Währt es auch Ewigkeit, all euer Leben an Werth.
Bald in duftigen Hainen besuch ich des Akragas Tempel,
Einen ganzen Olymp birgt mir das liebliche Grün.
Selinunts Titanenruin und der stolzen Segesta
Troisches Säulenhaus ladet den Glücklichen ein.
Bald nach Karthagos Trümmern vom lilybäischen Strande
Wünsch' ich mich über die See, über die lybische, weg.
Unter Marsalas Palmen und hesperidischen Reben
Wandr' ich zum heiligen Berg, hört es, zum Eryx hinan.
Schmähet ihr noch, so ruf ich dich an, o Genius: Lehre
Dithyrambischen Worts stolzre Bedeutungen mich.
So entströme die Flamme des Aetnas Grunde, so wälze
Donnernd der purpurne Strom sich aus der Tiefe hervor;
So umstürme des Gipfels Orkan den begeisterten Sinn mir,
Und der brausende Dampf werde mir delphische Gluth;
[153]
So umdufte das Veilchen Proserpinas Fels und vom Eryx
Nahe voll zärtlicher Gluth, nahe mit rosigem Arm
Mir das schönste der Mädchen, es nah' Amathusia selbst mir
Und kredenze des Kelchs ewig verjüngenden Trank.
Schon durchglüht mich die Flamme, vernehmt's: Was ist's, wenn im Taumel
Eurer zu spotten ich mir Apotheose geträumt!

Fünftes Lied
Agrigent

Wie aus heiterstem Grün, o erhabenste Tempel Girgentis,
Wie vom Himmel umglänzt steigt ihr der Nachwelt empor!
Zwar in Trümmer schlug euch die Zeit; wohin ich mich wende,
Zu des olympischen Zeus altem, titanischen Haus,
Sei's zum furchtbaren Schutt des Herakles, sei's zu dem Hügel,
Wo vom Frühling umblüht, Juno Lucina, du einst,
Oder die Eintracht dort in dorischer Schöne gewohnet,
Sei's wo der Tempel Vulkans über der blumigen Kluft
Von Limonen umduftet, umlacht von Indiens Feigen,
Kaum den Blick mir zum Strand, kaum bis zum Meere gewährt.
Euch umglühet Natur, und selbst aus dem Grab in der Mauer
Strebt der blühende Baum mächtiger Aloe noch.
Jüngst so irrt' ich im Grün, mir lachten goldene Früchte,
Hier entsprang der Granat, dort die Orange dem Laub.
Eine Nachtigall schlug und die Tempel entragten den Hainen,
Da erfüllete mir Wehmuth das einsame Herz,
Unaussprechliche fast. So oft ins zerfallene Leben,
Oft in die Trümmer des Glücks, oft in der Liebe Verlust
Klagt ein süßer, ein seliger Laut mit der Nachtigall Stimme,
Und das Schöne vielleicht wohnet am liebsten im Schmerz.

[154] Sechstes Lied
Der Berg von Trapani

Heut, Mißgünst'ge, vernehmt's, bestieg ich den wolkigen Eryx.
Aber fragt ihr warum? geb' ich die Antwort euch gern.
Schön zwar ist's vom felsigen Haupt, dem taubenbewohnten,
Nieder zu blicken auf Thal, Ufer und Insel und Meer.
Jene Klippen, von Wellen umschäumt, bezaubert die Sage;
Denn der wilde Cyklop warf sie hinaus in das Meer.
Seinem Vater feierte hier Aeneas das Kampfspiel,
Wo der rauschenden See Trepanons Sichel entsteigt.
Dort um die Inseln schlug der Römer blutige Seeschlacht
Und zu Frieden und Bund bot der Karthager die Hand.
Ueber die Ebene blick' ich hinweg, die rebenbegrünte,
Lilybaeon erglänzt sonnig am äußersten Strand,
Dem mit Aeolus Gunst das Schiff am Abend entwandert,
Um mit dem Frühroth schon glücklich in Tunis zu sein.
Schön zu schauen ist das; doch wißt, den ermüdenden Bergpfad
Stieg der Wandrer darum nicht, der verhaßte, hinan.
Eine Wallfahrt gebot ihm das Herz; zum Tempel der Venus
Trieb ihn die Andacht, es trieb ernstlicher Dank ihn empor.
Fromm ist jeder nach eigener Art, mir vergönnet die meine,
Nur dem eigenen Drang bin ich ja immer gefolgt.
Heuchelt, wie's euch bedünkt; ich bekenne fröhlich, der Göttin
Hab' ich Jugend und Kraft gerne zu Dienste geweiht.
Nicht mit Asche bestreut' ich mein Haupt, doch kränzt' ich's mit Rosen,
Wenn ein Mädchen mich oft feurigen Armes umschlang.
Drum erhöre mein brünstig Gebet, o Himmlische, wende
Deine Gunst von dem Schwarm, der dich verläugnet, hinweg.
Dir zu opfern gebietet Natur allmächtigen Dranges,
Und zu läugnen versucht's Frömmler und Heuchler umsonst.
Nimm mein Opfer und gieb mir ins Leben Schönheit in Fülle,
Gieb der Grazie Huld, aber die edelste, mir!

[155] Siebentes Lied
Chiron

Immer zu Pferde; schon kehret der Mond, schon füllt er die Scheibe
Und der sikulische Herbst sieht mich noch immer zu Pferd.
Fast ein Centaur erscheinet sich selbst der wandernde Sänger.
Wohl ihm, fände sein Lied einen gelehr'gen Achill.

Achtes Lied
Die Tochter von Carini

Nicht von Heroen und Kriegern, von Königen oder Tyrannen,
Dion und Dionys und von Timoleon nicht,
Nicht von Roger dem Grafen, von Arabern oder Normannen,
Nicht von Staufen ertönt oder von Franken mein Lied.
Euch, o freundliche Wellen, entrauscht den Saiten der Wohllaut,
Die ihr purpurnen Scheins lustig den Kahn mir umhüpft.
Noch umwehn mich die Düfte des fruchtbeladenen Thales,
Wo verschwindend Natur Wollust empfindet und weckt.
Und der spiegelnden Fluth entragt der geröthete Meerfels,
Den der Schiffer umfährt, wenn er Panormus erstrebt.
Lachend rollet der Golf die glänzenden Wogen und ferne
Dämmert im Reiche Neptuns Ustica bläulichen Dufts.
Und dem felsigen Hang, der niederhängt in die Wasser,
Rudr' ich entgegen; wie süß hier die Erinnerung ist!
Hykkara schwand, es zerstört' es der Grieche; doch immer lebendig
Bleibt dein reizendstes Bild, schönste der Griechinnen, mir.
Laïs Heimath zu sein, nicht rühme sich dessen Carini,
Wenn es der Tochter auch ewige Glorie verdankt.
Eher glaub' ich, sie stieg vollendet aus goldenen Fluthen,
Um dem entzückten Geschlecht sichtbare Göttin zu sein.

[156] Neuntes Lied
Die Frauen

Lasset Schul' und Katheder und Beichtstuhl, Kanzel und Hörsaal,
Bücher und Bibliothek, laßt sie und höret mich an.
Eifrer der Frömmigkeit, euch preis' ich Siciliens Frauen;
Denn ein herrlich Geschlecht schmücket Trinakrien noch.
Fremden gefällig, von lüsternem Geist, von feurigen Sinnen,
Wer vermöcht' euch darum, Töchter von Zankle, zu schmähn?
Zarte Kinder, von blondem Gelock, blauglänzenden Augen
Bietet Catania dir, bietet die freundliche dar.
Zwar kaum hatte den goldenen West, den reinen, die erste
Abendröthe mit Gluth über dem Hybla gefärbt:
Sieh, und es zeigt vom Balkon ein Liebchen mir schon Arethusa,
Und Ortygia dünkt längst mir die Heimath zu sein.
Doch nicht wüßt' ich darum Syrakusas Töchter zu preisen,
Denn mit der Quelle gefolgt sind sie dem niederen Dienst.
Frisches Blut und kräft'ge Natur und edle Gesundheit,
Unverdorbene Zucht, fern der Verführung der Welt
Findest am Aetna du, wo Indiens Feig' und die Rebe,
Wo Orang' und Granat glückliche Städte bedeckt.
Oder im fernen Buscemi, im pinienumgrünten Piazza,
Oder auf luftigem Fels, auf dem gigantischen dort,
Wo mit Dianen einst Proserpina Veilchen gepflücket
Und Aphrodite selbst heilige Keuschheit bewahrt;
Oder auf Trapanis Berg, nur daß die blühenden Reize
Neidisch der Schleier dem Blick hier, der arab'sche, bedeckt.
Dennoch aber der Preis der hohen Königin sei er,
Mutter der schönsten Frau'n, dir, o Palermo, geweiht.
Denn wie du selbst die erhabenste bist der Städte, wie üppig
Berg und Hügel und Thal Flora mit Blüthen bedeckt,
Hat die Natur, die mit Palmen dich schmückt und Aloe, der Menschheit
Zärteste Blumen auch euch, reizende Frauen, geliebt.
[157]
Hört's, o Eifrer, an Süßigkeit gleicht Palermos Orangen
Kein', und Palermos Geschlecht gleicht in Trinakrien keins.
Nun zu Schul' und Katheder, zu Beichtstuhl, Kanzel und Hörsaal,
Bücher und Bibliothek kehret mir wieder zurück.
Nennet euch tugendhaft und schmähet mich fort, doch die Strafe
Giebt sich selber wer nie menschliche Liebe gefühlt.

Zehntes Lied
Weine

Endlich wundert ihr euch, ihr begreifet nicht, wie der Sänger
So Verhaßtes, wie er euch im Gedichte bedenkt.
Denn unwürdig, ihr fühlet es selbst, unwürdig der Muse
Seid ihr ja ganz und verdient selber die geißelnde nicht.
Aber weil ihr von Tugend mir prahlt, von Bibel und Sitte,
Weil euch Lust und Genuß stets nur ein Aergerniß ist,
Weil ihr mich täglich verdammt und dem glücklichen Spötter den Bannstrahl,
Den zerstörenden, mir täglich nach Süden verschickt:
So erfreut mir's das Herz, euch täglich zu ärgern und euch nur
Will ich erzählen wie mir Freuden an Freuden erblühn.
Bachus, ihr kennet ihn nicht, ist stets mein Gefährte geblieben,
Aber als Gott mir gezeigt hat ihn Sicilien erst.
Zweifel plagen auch euch, so erlaubt dem Sänger den Kampf auch,
Welchem trinakrischen Wein werde der köstlichste Preis.
Syrakus, es bietet mir hier auf goldener Schaale
Schon den süßen Muskat, schon Amarina zum Trank.
Nah an den Trümmern auch der palmenreichen Selinus
Hat mich das purpurne Blut näher den Göttern gerückt.
Wo ertönt nicht dein Ruhm, Marsala? Dir gäb' ich die Krone,
Reichte mir Alcamo schon, reichte Palermo mir nicht
[158]
Andern Nektars Entzückungen schon im uranischen Kelche,
Nicht im Kelche, den mir Amor, der lust'ge, kredenzt.
Aber wenn auch der Freund, der treffliche, nimmer vergessne,
Deutschen Herzens, ja werth mehr als ein Deutscher zu sein,
Wenn unermüdlicher Gastfreundschaft der schönen Messina
Gellias mich an die Gluth göttlichen Nektars gewöhnt;
Dennoch sei mir vor allen gelobt, o Traube des Aetna,
Der, wie des donnernden Bergs Lava dem Krater entströmt,
Goldene Ström' entquellen, begeisternde, sämmtlicher Wunder,
Die der Aetna gebiert, größtes und seligstes du.
Kein Element versagt dir den Kranz; dich kühlet die Meerfluth,
Dich umlächelt des Lichts heiterste, mildeste Kraft;
Dich durchbrennt die Flamme des Bergs, und die Erde, die tausend
Blüthen und Früchte bei dir Frühling und Winter vereint.
Glänze, lieblichstes Gold; es kränzt dich die Myrthe, der Lorbeer;
Der ich dich schlürfe, mir ist Lorbeer und Myrthe gewiß.

Elftes Lied
Palermo

Aber warum von Palermo du schweigst? Normännischer Baukunst,
Gothischer Kirchen ist dort, maur'scher Paläste so viel.
Denke des Domes nur in Monreale, des alten,
Frommer Mosaik, des Styls, der nur gerecht ist vor Gott.
Wie, von Palermo zu hören, ihr wünscht es, christlichen Freunde?
Nun doch, wie immer, bin ich euch zu erzählen bereit.
Morgens weih' ich ein Stündchen mir selbst und meinen Gedanken.
Drauf in den Wagen – er ist reinlich und hübsch und bequem –
[159]
Oder durchs laute Gewühl des überfüllten Toledo
Dräng' ich mich auch und mir dünkt hier in Neapel zu sein.
Vieles beschäftigt mich, mich erfreut das Getümmel, der Reichthum,
Mich der thätige Trieb, mich die alltägliche Welt.
Weih' ich aber dem Schönen den Blick, gleich erfaßt mich ein Bettler
Winselnd und weißen Barts, nackt wie das Weib ihn gebar.
Gern besuch ich die Freunde, die wohlgesinnten, und Nektar,
Altsikulischer, giebt Leben und Scherz dem Gespräch.
Meist doch streif' ich am Strande des Meers und betrachte die Barken
Und die Schiffer, wie sie hier zu Rosaliens Berg,
Oder zum Kap hinschweben von Zafaran, mich belustigt
Jetzt die städtische Pracht, Gärten und Park und Palast,
Jetzt das lieblichste Bild äolischer Inseln. Es führt mich
Stunden und Tage der Weg so durch Palermos Natur.
Alle Berg', ich erklettre sie kühn; doch bist du vor allen,
Fels'ger Cypressenpark, Bocca di Falco, mir lieb.
Auch die Gärten durchwandl' ich und sehe Brasiliens Pflanzen
Frei, in glücklicher Luft, wie in der Heimath erblühn.
Werd' ich müde, so lockt die Citron', es lockt mich der Maulbeer
In den Schatten und reicht Schutz vor der Sonne Gewalt.
Aber den Durst, bald stillt ihn Indiens stachliche Feige,
Bald der Brunnen und bald stillt ihn der süße Sorbet.
Denn am Abend kehr' ich zur Stadt, und muntre Gesellschaft,
Wie dem Vogel die Luft, ist sie mir nöthig, o Freund.
Christlicher Freund, dich hab' ich gemeint; doch zu guter Gesellschaft,
Merk es, zähl' ich bei Nacht immer ein Liebchen dazu.

[160] Zwölftes Lied
Rückkunft nach Messina

Nimmer, dünkt mir, vergönnt es der Gott von Zankle zu scheiden.
König der Winde, vernimm, König der Wasser, mein Lied.
Wieder bin ich zum Strudel gekehrt der wilden Charybdis;
Meiner Wanderung Ziel schien der Peloro zu sein.
Und was bracht' ich zurück? Ein Herz voll Freuden und Wonnen,
Und ein Glück, wie es nur Wen'gen der Himmel geschenkt.
Jubelnd strömte das Wort mir auf die begeisterte Lippe,
Als vom Gebirge zumal wieder die prangende Stadt,
Hafen und Burg und das leuchtende Blau des wogenden Meeres,
Wie ein gigantischer Strom zwischen die Ufer gedrängt,
Als der Faro sich mir und Kalabriens südliche Zauber,
Scilla und Apennin wieder dem Auge gezeigt,
Und vergangener Monde, vergangener Freuden Erinnrung,
Meer und Ufer und Stadt dankbar und zärtlich begrüßt.
Aber, o Vater Neptun, dem eilenden Wandrer entgegen
Führest du Wellen und Wind, führest du Aeolus Brut.
Und ein Gefangener bleib' ich zurück; an jeglichem Morgen
Tret' ich ans Fenster, den Zug wandelnder Wolken zu schaun.
Und den Schiffer ermüdet der Fragen läst'ge Bestürmung;
Immer kehr' ich an Bord, immer nach Hause zurück.
Wann erblick' ich die Segel? Es kommen und scheiden die Schiffe;
Durch den empörten Kanal ziehen sie schwankend heran.
Nur das meine verweilt, und vergebens heftet die Sehnsucht
Nach dem Faro den Blick, wünscht sich ins Weite hinaus.
Wochen voll ängstlicher Pein rollt so von der Spindel die Parze,
Und das neid'sche Geschick löst mir die Fessel noch nicht.
Zwar es würzt mir die Stunden der Freundschaft reichste Bewirthung;
Aber, o Götter, nach Rom treibt mich die Liebe zurück.

[161] Abschied von Sicilien

O Brautgeschenk, das einst am Hochzeittage
Proserpinen der große Vater gab,
Der Ceres Liebe wie der Ceres Klage,
Dianens Wieg' und der Giganten Grab,
O schönste Heimath frommer Göttersage,
Dem Königsscepter und dem Hirtenstab,
Der Nachtigall, dem Veilchen und Cyanen,
Der Flamme heilig und des Bergs Orkanen;
O Eiland, mir geliebt seitdem ich liebe,
Mir werth seit ich für Heldenkraft entglüht,
Seit an der Lipp', entflammt von größrem Triebe,
Der Dichtkunst Götterbecher mir geblüht,
Seit ich die priesterlichen Pflichten übe,
Das Feuer hütend, das in Delfi sprüht,
Seit ich gelernt, wie große Männer werden,
Und lehre was ich nie gelernt auf Erden.
Noch einmal, theures Eiland, laß mich denken,
Was deine Berg' und Meere mir gezeigt.
Im Purpurglanz mit ihr mich zu versenken,
Der Sonne, die zum goldnen Bad sich neigt,
Vermöcht' ich der Gestirne Lauf zu lenken –
O Lust, und wenn sie wieder ihm entsteigt,
Dich wiedersehn am Morgen! Doch vergebens;
Mir blieb Erinn'rung nur, der Mond des Lebens.
Doch sterblich ist dem sterblichen Geschlechte
Des Glücks Geschenk, des Augenblickes Lust.
Nur in der Gegenwart sind ihre Rechte
Der Gegenwart vergönnt, nur unbewußt;
[162]
Du denkest, und schon nahn die strengen Mächte,
Selbst das Gefühl bleibt nicht in deiner Brust,
Und du gewahrst mit Freuden oder Trauer,
Nur die Erinnerung hat ew'ge Dauer.
So nimm mein Lebewohl, o Blumenwiege
Der Heldenfabel, wunderreichstes Land;
So je noch griech'sches Ufer mir erstiege,
Begrüß' ich's als vertrauten Heimathsstrand,
So je ich das Verhängniß noch besiege,
Das manchen Kranz um meine Schläfe wand,
So mag die Mutter freundlich mich empfangen;
Denn ihre Tochter küßt' ich auf die Wangen.
Ja, stolz und freudig darf ich's euch gestehen,
Geweihte, die ihr fromm die Vorwelt ehrt,
Die Göttinnen auf Ennas Felsenhöhen,
Voll Huld sind sie zu mir zurückgekehrt.
Proserpinen, Dianen durft' ich sehen,
Athene hat mich weisen Rath gelehrt;
Der Seher, der der Erde sich entwunden,
Hat stets das Himmlische sich nah gefunden.
Und einsam, im Gefolge nur der Musen,
Hab' ich am Hybla Blumen mir gepflückt,
Zum alten Nymphenquell, in Arethusen
Mich spiegelnd, hab' ich Haupt und Mund gebückt,
Und Aphroditen selbst an meinen Busen,
Panormus schönstes Frauenbild gedrückt,
Der Erdtitanen flammend Ach vernommen
Und Galatheas blaue Fluth durchschwommen.
Die großen Schatten hab' ich all beschworen
Aus ihrem Grab, aus ihrer Städte Graus,
Und festlich rief ich aus des Hades Thoren
Den ernsten Zug zum alten Götterhaus.
[163]
Die Männer nahten, die Segest geboren
Und Selinunt; dem üpp'gen Hochzeitschmaus
Sah ich die Stadt des Akragas entschwanken,
Und Syrakus Timoleonen danken.
Und wie Natur in solchen süßen Lüften
Gastfreundlich ist und allem Schönen hold,
Und bei der Vorwelt heil'gen Lorbeerdüften
Die Palme blüht und der Orange Gold,
Ja selbst die Eiche; sah ich aus den Grüften
Die Söhne steigen von Mahomas Sold,
Und Roger durft' ich, Friedrich durft' ich sehen,
Den Großen nicht, den Größten auferstehen.
Mein Lebewohl den felsigen Gestaden,
Den Höhen, wo ich von Homer geträumt,
Den Meeren, wo sich steile Berge baden,
Den Klüften, wo der grüne Waldbach schäumt,
Den Hügeln, von der Haine Grün beladen,
Den Wassern, die der Rose Gluth besäumt,
Dem Aetna, wo mein Blick von Thränen thaute,
Weil er das Eiland nicht, die Welt beschaute.
Schon schwimmen Aeols Inseln mir entgegen,
Die wandernden, und Strombolis Vulkan,
Und ferner stets auf rauschend schönen Wegen
Geschaukelt wird das Schiff auf grüner Bahn:
Nun könnt' ich ruhig in mein Grab mich legen,
Da meine Augen solche Schöne sahn;
Doch, daß ich ihrer würdig, euch zu zeigen,
So leb' und sing' ich, Ungeweihte schweigen.

Notes
Erstdruck in: Musenalmanach für 1831 und für 1832, hg. von Amadeus Wendt, Leipzig (Weidmann).
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Waiblinger, Wilhelm. Oden und Elegien aus Sicilien. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8A9B-E