Die Tempel von Agrigent

Glanzreichste Tochter, dor'sche, des Ruhmes voll
Und Goldes, stolz am Ufer des Akragas,
Am Heerd, dem nährenden, der Waffen
Blut'gen Triumph mit der Lust vertauschend,
Die aus olymp'schem Göttergelage nur
Dem Sterblichen hellen'scher Geburt des Zeus
Huldgöttinnen ins schöne Leben
Hauchten, Persephones heil'ger Wohnsitz,
Noch sinn' ich, ob Ortygias Fall, ob nicht
Dein Sturz ein schicksalschwereres Loos dem Gott
In zweifelhafter Hand geschwanket,
Königin, holde, der blum'gen Hügel.
Folg' ich dem Strom festfeiernden, bunten Volks
Zur heil'gen Anhöh'? Ueber die Felsmau'r ragt
Der Säulen dor'sche Majestät, von
Kränzen geschmückt der gewalt'ge Tempel.
Und silberweißen, langen Gewandes naht
Der Priester Festzug, heil'ger Gesang erschallt,
Die Opfernden sie nahn, der Stiere
Trotzige Kraft von der Blumen Anmuth
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Und priesterlicher Teppiche Pracht bedeckt
Und hold verschleiert wandelt in Schüchternheit
Der Jungfraun aufgeblühte Jugend
Rosen ums Antlitz und Rosen ähnlich.
Nicht fehlet auch der Rosse gerühmter Stolz,
Denn gute Art zeugt Cocalos Burg, sei's nun
Im Kampfgewühle sie zu tummeln
Oder zu siegen im Spiel Olympias.
Der Wägen auch, der glänzenden, folgen viel,
Denn weichlich lebt der Bürger am Akragas,
Reich ist er fast wie seine Götter,
Denen er Tempel gebaut und Altar.
Schon dampft das Opfer, aber vom Säulenhaus,
Dem priestervollen, blickt auf die Glücklichen,
Die Schönen Aug' und Herz der Starken,
Die sich zur Feier des Gotts versammelt.
Und Volk beschau' ich, unübersehbares,
Und Meer und Hafen, auch die geschmückte Stadt,
Und Athenaeas Fels und oben
Zeus Atabirios goldne Wohnung.
Nicht wein' ich mehr dem Menschengeschick; denn schnell
Und leer, bestandlos wandelt's, den Wolken gleich,
Die um die Sonne wehn, die ew'ge,
Ueber die Erde dem Nichts entgegen;
Nicht mehr den Männertugenden, Wolken auch
Sind sie, durchglüht nur stark von des Himmels Gold,
Nicht mehr der Tapferkeit, den Wettern
Gleicht sie, die segnen im Sturm und Donner;
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Nicht mehr dem Glück, das Perlen wie Morgenthau
Ausgießt im Frühschein, Perlen, die Stunden kaum
Der Ros' entglänzen und vergehen,
Während die Blume verwelkt am Mittag.
Wenn auch dein Bild, freigebigster Gellias,
Der jeden Wandrer lud, und der Sieger mich
Olymp'schen Kampfes – dreimalhundert
Folgten ihm prangender Ross'gespanne –
Wenn auch die Braut mich mahnet, der Hymens Brand
Von allen Tempeln leuchtete; dennoch nicht
Verwundr' ich des mich, dennoch frag' ich
Nicht, wie es kommen und wie's geschwunden.
Das aber dünkt mir schwer und mit Angst erfüllt's,
Mit staunender, das zweifelnde Herz, gestürzt
Und fürchterlich zur Erde nieder
Sah ich geschmettert der Götter Tempel.
Giganten trugen, mächtigen Arms, die Last
Des Riesenhauses, daß es der Ewigkeit
Den Dienst des Donnerers bewahre;
Selbst die Giganten zertrümmert sind sie.
Seitdem mich solche Trümmer umstarrt, seitdem
Zernichtet mich ein ganzer Olymp umgraust,
Der Vater und die Kinder alle;
Glaub' ich, daß bald von gedrückter Schulter
Die Welt dem großen Träger entsinkt, und bald
All unsres Lebens Mutter Natur der Macht,
Der dunkeln, unterliegt, die endlich
Selbst sich zerstört im zerstörten Weltall.

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TextGrid Repository (2012). Waiblinger, Wilhelm. Gedichte. Oden und Elegien aus Rom, Neapel und Sicilien. Oden und Elegien aus Sicilien. Die Tempel von Agrigent. Die Tempel von Agrigent. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8C2F-1