[91] Anhang

An Albert von Thorwaldsen

Zu seinem Geburtsfest am 8. März 1827. 1


Als Stimme der Deutschen in Rom.


So sei gegrüßt zur heitern Feierstunde,
Wir nahen dir mit dankbarem Gefühl,
Nur Eine Liebe weht in unserm Bunde,
Nur Ein Gedank' im festlichen Gewühl:
Des Meisters Name tönt von unserm Munde,
Was in den Herzen glüht, ist groß und viel,
Den leeren Schwall der Worte laßt uns meiden,
Der Meister ist's, so sind auch wir bescheiden.
Ernst ist die Zeit und schwere Wolken liegen
An jenem reinen Himmel ausgestreckt,
Aus dem die Götter einst herniederstiegen,
Die jeden Keim des Irdischen geweckt,
Und ew'ge Mächte, die im Himmel siegen,
Das Haupt mit ird'schem Lorbeer sich bedeckt,
Da brach sich, durch den Erdendunst gezogen,
Die Kunst ihr Bild – der Schönheit Regenbogen.
Doch wie es kam, daß jene Götter schwanden,
Und jene hold lebend'ge Fabelwelt,
Aus der das himmlische Geschlecht erstanden,
Und Kunst und Leben, innig sich gesellt,
An Einem Urquell, ihre Kränze wanden,
Von gleicher Sehnsucht, gleicher Lust geschwellt,
Verschweigen wir's an diesem Freudentage,
Denn wo Entzücken ist, verstummt die Klage.
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Bist du doch unser, der zu jenen Reichen
Der abgeschiednen Vorwelt Wege fand,
Alkmenes Sohn an Stärke zu vergleichen,
Hernieder stieg, den Schattenwächter band,
Dem Orpheus gleich, die Braut dir zu erreichen,
Hinaus drang bis an Lethe's Geisterstrand,
Und herrlich, als ein neues Frühroth lachte,
Die süße Braut – die Kunst vom Grabe brachte.
Und wenn dein Geist in seiner Schöpferfülle
Mit ihr am liebsten ew'ge Kinder schafft,
So stieg ihm doch aus reiner Himmelsstille
Herab die zarte wunderbare Kraft,
Die sich gezeigt in menschlich wahrer Hülle,
Der ernste Heiland, und hinweggerafft
Von seinem übermächtigen Erscheinen,
Vermochtest du zwei Welten zu vereinen.
Laß uns nur Einen hohen Wunsch, den heute
Die muntre Schaar vor deinem Auge hegt,
Nur Einen Stolz, der dir und uns bedeute,
Was uns das Herz fürs Vaterland bewegt:
Wir sind ein gutes Volk, in ew'gem Streite,
Voll Ernst und Kraft, von Allem angeregt,
Was Großes sich erzeugt in großen Seelen, –
O laß uns dich zu unserm Volke zählen!
Kann dieser Wunsch auch ganz uns nicht gelingen,
So tröstet deine höh're Heimath nur,
Denn zu Unsterblichen auf Götterschwingen
Enttrug dich dein unsterblicher Merkur!
So wenig wir ans ew'ge Herz ihr dringen,
Wir fühlen, lieben, ehren die Natur,
Wenn unser selbst die Sterne sind geworden,
So werd' auch du uns, großer Stern vom Norden!

Fußnoten

1 Diese Ottaven entstanden auf die Bitte einiger Künstler, und zur Freude mehrerer Landsleute, und sollten an dem Abend, da die Verehrer Thorwaldsens ihm zur Feier seines Geburtstags eine Musik brachten, dem verehrungswürdigen Meister vorgetragen werden. Allein der Neid, der Unverstand und das ganze traurige Elend, das den Künstler von dem Künstlergesindel unterscheidet, verhinderte den Dichter und seine bessern Freunde, dem Verehrten auf eine solche erhebendere und allgemeine Weise einige Worte des Dankes und der Achtung für Alle zu weihen. So mußten wir uns denn begnügen, nicht ohne Schmerz über die traurige immerwiederkehrende Erfahrung roher Verkehrtheit und bitterer Unwissenheit unter einer Nation, welche sich sonst durch so treffliche Männer auszeichnet, dem theuern und geehrten Manne das Gedichtchen bloß als den Ausdruck unserer eigenen Gefühle zu überbringen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waiblinger, Wilhelm. Gedichte. Oden und Elegien aus Rom, Neapel und Sicilien. Anhang. An Albert von Thorwaldsen. An Albert von Thorwaldsen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8C5A-0