[63] Fünftes Lied

Sie.

Horch! es läutet, gehst du heute
Nicht zur Messe, willst du immer
Bei mir bleiben? Traun es wäre
Hohe Zeit, die Mutter mahnte,
Noch hab' ich mich nicht gewaschen,
Meine Haare nicht gerichtet,
Meine Kleider für die Kirche
Nicht gerüstet hab' ich sie.
Ich.

Nun so laß mich gehn; ich fühle
Kopfweh heut; die Luft ist heiter,
Und ich bin in übler Laune,
Besser ist's, daß ich im Freien
Mich erfrische, mich erquicke,
Drum zur Vigne will ich gehen,
Reife Feigen mir zu suchen,
In die Messe geh' ich nicht.
Sie.

Höre, Lieber, laß mich's offen
Dir gestehn, daß mir im Herzen
Sich ein großer Zweifel reget:
Bist du auch ein Christ? – du lächelst –
Denk', die Leut' im Dorfe sagen's,
Daß du einmal in der Messe
Nicht gekniet, dich nicht bekreuzet,
Als die heil'ge Glocke klang.
Ich.

Wohl, mein Kind, gib dich zufrieden,
Glaub', ich bin ein Christ; ich habe
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Wohl das Glöcklein nicht gehöret,
Denn ich bin oft in Gedanken;
Und so sollst du's heut denn sehen,
Wie ich meine Andacht thue,
Denn zur Messe will ich gehen,
Wenn nur du gewiß nicht fehlst.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waiblinger, Wilhelm. Gedichte. Lieder des Römischen Carnevals. Gedichte aus Latium und den Sabinerbergen. Lieder der Nazarena. Fünftes Lied. Fünftes Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8C8E-9