[80] Die siebenundachtzigste Fabel.
Von einem Haubtman und seinem Caplan.

Als Franciscus, der franzen könig,
Wider Meiland fürt große krieg,
Zugleich auch wider die Eidgenoßen,
Welch stet zu kriegen unverdroßen,
Zohe er mit fünfzig tausend man,
Das land nam ein, die schlacht gewan.
Der landsknecht het ein großen haufen,
Die weit und breit dem krieg nachlaufen.
Da war ein haubtman, hieß der Schorb,
Ein junger gsell, ein wüster korb,
Het ein pfaffen zum capellan,
Ein trunkner boß, ein wüst compan.
Als sie daselb lagen im felt,
Zechten sie in des haubtmans zelt.
Als sie nun waren wol bestaubt,
Eim jeden stieg der wein zum haubt,
Tet sie frölich und lüstig machen,
Redten nichts denn von krieges sachen,
Wie redlich jeder het gestritten
Und vor den feinden vil erlitten.
Denn wie der schifman sagt von winden,
Der jäger von den hirsch und hinden,
Der schäfer zelt stets seine hert,
Ob sichs auch beßert und vermert,
Ein ackerman lobt seine farren,
So zeigt der landsknecht seine schmarren;
Ein jeder lust und gfallen hat
An dem, damit er stets umbgat.
Der haubtman zu dem pfaffen sprach:
»Lieber, bericht mich einer sach.
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Wenn wir landsknecht in stürmen, schlachten
Umbkommen und nach Gott nicht trachten,
Auch sonst kein engel tut bewarn,
Wo mögen unser seel hinfarn?«
Er sprach: »Dort niden in der hellen,
Da finden sich vil guter gesellen.
Ligt ein wirtshaus, ein groß tabern,
Daselben niemand herbergt gern.
Der wirt ist auch eim jedern gram,
Da ists so warm, da schleht der flam
Auch allezeit zum fenster naus,
Man nennt es auch in nobishaus.
Da ists mitten im winter heiß,
Daß eim vor angst ausbricht der schweiß,
Daß man sich kan behelfen kaum.
Da stet ein großer lindenbaum;
Wenn die landsknecht werden erstochen
Oder kommen umb durch balgen, bochen,
So farn die seelen von der erden,
Am selben baum zu blettern werden.
Wenn denn die teufel aus der hellen
Raus laufen und sich külen wellen,
Beginnt sies in dem bauch zu reißen,
Bald undern selben baum gen scheißen,
Sich zu erquicken und erfrischen,
Den ars an dieselben bletter wischen.«
Wiewol das kriegen kan geschehen
Mit Gott und recht, wie wir denn sehen
Vil gottesförchtiger leut der alten,
Die sich vor Gott han recht gehalten
Und dennoch große krieg gefürt,
Gschlagen, worgt, vil bluts verriert,
Auch die jetzund fürn gmeinen nutz
Und irem vatterland zu schutz,
Auch welch der oberkeit gebot
Erfordert und die gmeine not.
Drumb ists nit bald eim jedern recht,
Wie jetzt ingmein ritter und knecht
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Mutwillig ziehen hin zu kriegen,
Laßen irn bruf daheimen ligen,
Setzen leib, leben, haut und har,
Gut, er, weib, kind in alle far:
Die acht ich gut zu solchen sachen,
Der teufel ein arswisch aus in mache.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das dritte Buch. 87. Von einem Haubtman und seinem Caplan. 87. Von einem Haubtman und seinem Caplan. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8CFB-6