Die neunzigste Fabel.
Vom kranken Esel.
Als ein alter esel lag krank,
Elend auf einer harten bank,
Kamen wölf, hund mit andern tieren,
Wolten den kranken visitieren;
Sprachen den jungen esel an:
»Wie gets dem alten eselman?«
Der föll sahe sie hie außen sitzen
Und gucket durch ein kleine ritzen,
[275]Sprach: »Sein gsundheit sich baß zutregt,
Denn ir leicht alle gerne seht.«
Vil leut den gruß im maule han,
Ir herz ist hundert meil davon,
Wünschen im mit der zung ave,
Doch ist ir gmüt im herzen grave.
Köntens in in eim schaff ertrenken,
Wurden in in den Rhein nit senken:
Hilft aber nicht das teglich gerben
Der haut, daß drum die esel sterben.