Die vierzehnte Fabel.
Vom Schultheiß und seinem Weibe.

Dem schultheiß von der Damerau
Gestorben war sein erste frau,
Dran im so leid geschehen war,
Daß er traurt biß ins dritte jar.
Zuletst wolts doch nit anderst sein,
Er must wider in eestand nein.
Bei im ein reicher krüger saß,
Der hieß Heinrich vom langen Gras,
Der het ein tochter umb die moß
Von zwenzig jarn, war eben groß,
Ein dicke protzel, stark und jung,
Verstünd sich auf ein guten trunk,
Sprach stets: »Mir zu wie einem Sachsen!«
Dabei sie so war aufgewachsen,
Von irer mutter so erzogen.
Damit der gut man ward betrogen;
Denn er hielts nüchtern, züchtig, frum.
Biß schier ein halbes jar kam umb,
Sie war unendlich und untüchtig,
Stund nit wie vor im haus aufrichtig,
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Von aller arbeit stetes schault,
Des morgens lang im bette fault.
Wenn der man seim gewerb nachtracht,
In dem die frau sich fürher macht
Und kropfet sich mit eßen wol,
Soff sich mit irer mutter vol
Und lebt den ganzen tag im saus.
Des abents kam der man zu haus,
Fands ligen auf dem bett so weich:
Vor großer krankheit war sie bleich
Wie ein baur, der vier schock vertrunken;
Denn tet sie kreisten, krüchzen, krunken.
Dasselb der man kunt lang nit merken,
Er tets mit gutem gwürze sterken.
(Külewaßer gesund wer gwesen,
Ich mein ein stiel aus einem besen.)
Nach irer mutter senden tet:
Dieselb den guten man beredt,
Daß er ir aller rede glaubt.
Damit der frauen ward erlaubt,
Daß fies zuletst auch übermacht.
Der man da bei im selber dacht:
Wie erfar ich von disen sachen,
Was in meinem abwesen machen?
Er sprach zum weib: »Morgen muß ich
Nein gen Könsperg begeben mich.
Daheim dieweil das beste tu,
In allen dingen sihe wol zu!«
Des morgens nam sein reise für,
Verbarg sich heimlich hinder tür.
Sie meint, der man wer nu hinweg,
Stund auf vom bet und war nit treg,
Schneit von dem speck wol zehen krapf
Und schlug zwölf eier in ein napf,
Setzt sich auf einen leren scheffel,
Zertriebs mit einem hölzern leffel,
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Setzts nider, lief in garten naus,
Denn er war nahet hinderm haus;
Da wolts holen zwiblen und lauch.
Der man fur zu und schlug da auch
Zwölf eier in dieselbe schüßel
Und sprach: »Schlehst das noch heut in rüßel,
So wil ichs auf mein eid wol sagen,
Die katz nimt dir heut nit den magen.«
Damit gieng wider an sein ort.
Die frau kam wider alsofort,
Den speck mit buttern wol durchkreischt,
Darnach die eier drunder meischt
In einer breiten eisern pfannen.
Da nams ein große hölzern kannen
Wol von sechs stäufen oder mer;
Im keller het sie danzker bier,
Lief nab und zapft die kanne vol.
Sie sprach: »Ist gut und schmecket wol!«
Ein kleinen tisch begunt sie decken,
Darauf legt sie zwen schillingswecken.
Wie nun der pfannkuch war bereit,
Mit ingwer dick denselben bstreut
Und aß in mer denn halber auf
Und sprach: »Ein guter trunk hört drauf!«
Hub auf dieselbig holzen kann,
Trank nein wol bei einr halben spann.
Darnach des eßens wider pflag,
Biß sie zu letsten schier erlag,
Und sprach: »Es wil nit wol hinein,
Was mag mir doch geschehen sein?
Krank bin ich, oder werd es bald;
Der magen muß mir sein verkalt,
Oder bin sonst im leib verstopft;
Umbsonst mirs herz so ser nicht klopft.
Zwölf eier warn mein teglich moß,
Jetzt dunkens mich ein wenig zgroß.
Sein enteneier drunder gwesen?
Wer weiß? ich hab sie nit erlesen.«
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Sie rief der diern, die war im garten;
Die pflag sonst stets auf sie zu warten,
Und sprach: »Lauf bald zur mutter numb!
Sag, daß ein wenig zu mir kum.
Weiß nit, wie mir jetzt ist geschehen:
Man kan nit all zu wol zusehen.«
E denn die diern nun umbhin kam,
Der man ein großen knüttel nam,
Sprach: »Wil dir wol den seich beschauen,
Ob dir sei wie den kranken frauen;
Felt dirs im magen oder därmen,
Wil dirs bei kaltem holz wol wermen;
Ja, hastu sonst kein andern feil,
So wil ich dirs wol machen heil!«
Er schlug sie lang und trats mit füßen:
»So muß man dir die krankheit büßen,
Aus deiner haut den faulenz treiben,
Mit ungebrennter äschen reiben.«
Sie sprach: »Verzeih mirs, lieber man,
Habs aus keim bösen vorsatz tan;
Mein mutter hat mich underweist
Also, daran hab mich gepreist.
Het sie das grob baß weg geschliffen,
So het ich jetzt auch kleiner gpfiffen.«
Ein jeder sol sein kinder ziehen
Zum besten, daß die laster fliehen,
Und in der jugent dahin denen,
Daß zu dem guten sich gewenen.
Man sagt: gleich wie die alten sungen,
Der maßen lernten auch die jungen.
Sausen und freßen ist schand und sünd,
Und sonderlich, wo man solchs findt
Bei alten oder jungen weiben.
Davon ich wol ein buch wolt schreiben;
Wenn ich all, was ich weiß, wolt sagen,
Künts nit enden in dreien tagen.
Ein trunken weib, das lebt im fraß,
Ist gleich so freundlich wie ein as,
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Das daußen ligt auf faulem mist:
Solch freud wie bei demselben ist,
So ist bei den auch zu verhoffen,
Die sich nit e wölln legen schlofen,
Sie haben sich erst voll gefüllt.
Gut wers, wenns damit wern gestillt!
Denn hebens oft ein metten an,
Die hat neun lange lection,
Die laudes mit einr litanei
Die wert ein stund, zwo oder drei
Mit einem langen miserere.
Selig, der sich nit dran tut kere.
Der solche predigt leiden kan,
Ist wie sanct Job ein düldig man.
Die preuschen frauen sein damit
Ins gmein begabt, wiewol ich nit
Geredt wil haben von den frommen,
Die solln in disem reim nit kommen;
Sondern von denen, die so tun,
Wie wir zu reden gfangen an,
Und die das bier oder den wein
Laßen irn Gott und wolfart sein.
Von den wil ich hie angezeigt
Haben, daß sie allzeit geneigt
Zum saufen und zum müßig gan,
Des ich zum teil erfaren han.
Daß, der daselben ein weib nimt
Und eine solche überkümt,
Die das stark dantzker hier nit mag,
Der trifft ein guten heiratstag.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 14. Vom Schultheiß und seinem Weibe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8DF2-0