Die fünfundachtzigste Fabel.
Von dem Hornüsch und einer Binen.

Zu dem hornüschel kam ein bin:
»Sag, was hastu damit im sin,
Daß du so feindlich einher schnurrst
Und mer denn unser fünfe murrst?
Heltst dich so trutzig und so prechtig,
Als werst noch zehenmal so mechtig.
Taugst doch zu keinen guten sachen,
Kanst weder wachs noch honig machen
Und suchst gleich mir in grüner heid
Und süßen blumen deine weid,
Ja, welchs das aller ergste ist,
Mit triegerei und falscher list
Stilst und verzerst die edlen gaben,
Die wir mit arbeit gsamlet haben;
Auch schwermst so hoch und prechtig her,
Als ob deins gleichen niergen wer,
Machst dich auch bei den leuten rüchtig,
Als werstu edel, frum und züchtig.
Kanst doch nit mer denn hauen, stechen,
Den baurn die leimen wend zubrechen.«
Er sprach: »Hör mich, mein liebe mum:
Mit bosheit gwint man auch oft rum.
Ich wolt (wie durch tugent die frommen)
Auch gern durch schand zu eren kommen.«
Die welt ist jetzt so gar verrucht,
Daß sie durch schand oft ere sucht.
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Denn wer sich nit der tugent fleißt,
Redlich in eren sich beweist,
Dem sagt man auch kein lob nit noch,
Wie billich ist; so tobt er doch
Und machts so, daß man von im sag,
Setzt leib und leben in die wag,
Tut gleich wie Sorostrates tet,
Seinr tugent halb kein rum nit het,
Der zündt den schönen tempel an
Zu Epheso in Asian,
Der hoch berümt und weit bekant,
Der Diane, in ganz Griechenlant.
Da man in fragt, warumb ers tan,
Er sprach: »Ich muß ein gdechtnus han,
Auf daß man in zukünftgen tagen
Auch etwas wist von mir zu sagen.«

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 85. Von dem Hornüsch und einer Binen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8E01-6