[167] Die dreizehnte Fabel.
Vom Münch und einem Wirt.

Ein andern schwank dasselbig mal
Verzeit derselbig cardinal;
Sagt, wie daß einst ein observant
Zohe mit seim gsellen über land,
Nach mittag in ein wirtshaus kert
Und bat durch Gott denselben wirt,
Dazu umb sanct Franciscus willen,
Ein heilig werk an in zerfüllen
Und sie denselben tag und nacht
Beherbergen. Der wirt sich bdacht
Und sprach: »Sag mir, wie komt es doch?
Ir seit stark, jung all beide noch;
Wenn ir sonst nit het zu verzern,
Künt ir euch wol eur hend ernern,
Und nit also die welt durchziehen,
In müßiggang die arbeit fliehen
Und ander leut also beschweren.«
Da sprach der mönch: »Wolt ir mich hören!
Daß wir der almosen geleben,
Eßen, was fromme leut uns geben,
Komt keiner andern ursach her,
Denn daß wir des herrn Christi ler
Nachfolgen, wie die aposteln teten,
Die auf erden nichts eigens heten,
Und samlen keine schätz auf erd;
Haben noch gelt noch geldes wert,
Laßen uns stets an dem genügen,
Was uns heute Gott tut zufügen;
Denken nit, was wir sollen morgen
Eßen, laßen wir Gott vor sorgen;
Gedenken, daß der morgend tag
Auch vor sich selber sorgen mag;
Denn unser tun ist anderst nicht
Denn auf das evangeli gericht.«
[168]
Da tet sich ir der wirt erbarmen,
Gedacht: das sein recht willig armen,
Wie er an alln irn berden sach.
Fürts mit im in ein schön gemach,
Versorgts mit aller notturft wol,
Forderts darnach zum abendmal.
Da het er sonst noch ander gest;
Drumb ließ kochen das allerbest
Von wildprät, groß und kleine fisch.
Aufs letste bracht man auch zu tisch
Etlich hüner, waren gebraten.
Die beiden mönch zusamen taten,
Gunten zwei hüner und vier wecken
Zusamen in den sack zu stecken.
Hetten ein fläschen, war nicht groß,
Gieng nur drein bei dritthalber moß,
Namen die kandel, füllten hnein,
Wie sie da stund, vom besten wein.
Das sahe der wirt und sprach zu in:
»Ei, herr, wo wolt ir damit hin?«
Er sprach: »Ich muß mich jetzt versorgen,
Wer weiß, ich find villeicht auch morgen
Kein wirt, der mir so wol geb zeßen.«
Da sprach der wirt: »Habt ir vergeßen,
Daß ir nit solt auf morn gedenken?«
Er sprach: »Das tut mein glübd nit krenken.
Hiemit werd wir der last enthaben,
Daß nit dafür zu sorgen haben:
Darumb uns diß jetzt eben kümt
Und uns die morgend sorg benimt.«
Hie siht man, wie der geistlich stant
Die göttlich schrift helt vor ein tant,
Wenden dieselb nur für zum schein
Und muß ir sündendeckel sein,
Und lenkens all auf ire sachen
Und ir ein wächsen nasen machen.
Als, was in dient, vor sich ausklauben,
Damit sie der welt güter rauben;
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Welchs stück in aber nicht ist mit,
Da tuns gerad, als sehens nit,
Und laufen drüber unverholen,
Wie der han überd heißen kolen,
Und machen uns ein spiegelfechten.
Wenn aber Christus komt, zur rechten,
Die böck wil scheiden von den schafen,
So btreugt sie denn ir eigen hoffen,
Müßens sich von im richten lan,
Des wort sie hie verspottet han.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 13. Vom Münch und einem Wirt. 13. Vom Münch und einem Wirt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8E63-8