Die sechsundsiebzigste Fabel.
Vom Hasen und der Schnecken.
Ein has belacht ein arme schneck
Und sprach: »Du ligst so tief im dreck;
Soltest eim hund also entlaufen,
Ja in der pfützen wurdst ersaufen.«
Da sprach die schneck: »Weil du nun mich
Verachtest so gar jemerlich,
Des ich mich nit versehen het,
Wil mit dir laufen in die wett.
Der fuchs sol stecken uns das ziel,
Zwen schritt zuvorn dir geben wil;
So sol man sehn heut disen tag,
Was die schneck und der has vermag.«
Dem gschahe also; er nam drei schritt:
Da blieb er sitzen, achtets nit.
Ein süßer traum in da ergriff,
Wol in die dritte stunde schlief,
Gedacht: derhalben darfst nit eil,
Gee gmach und nim dir wol der weil.
In dem seumet sich nit die schneck,
In einem gang kroch für sich weg,
[70]Biß sie zum erst erlangt das ziel;
Da felt dem hasen noch gar vil.
Die schneck kam bei scheinender sonnen:
Da hets dem hasen angewonnen.
Mancher sich auf sein sterk verleßt,
Ist warlich darumb nit der best,
Schleft deste lenger, seumet gern.
Man sagt: mit mußen komt man fern.