Die neununddreißigste Fabel.
Vom Schmit und seiner Katzen.

Im Harz da saß ein armer schmit,
Der het kein ander narung nit,
Denn daß er sich des hammers nert,
Damit des hungers sich erwert.
War ein einfeltig frommer man,
Der setzt im für und nam sich an,
Er wolt den leuten schmiden umbsunst
Aus brüderlicher lieb und gunst;
Was im von gutem willn wurd geben,
Nur von demselben wolt er leben,
Dacht: wenn sie sehn dein guten willen,
Werdens mit woltat wol erfüllen.
[223]
Da solchs die leut an im vernamen,
Mit viler arbeit zu im kamen;
Der ein bracht diß, der ander das,
Beschwerten in on underlaß,
Dankten dafür und giengen hin.
Niemand gab nichts; das wundert in.
Das wert nun eben lange zeit;
Er dacht: das sein undankbar leut!
Es solt je dennoch so nit sein;
Niemand gibt nit, er dankt allein.
Hat ir danken so vil in sich,
Daß sie damit bezalen mich,
Das wil ich gar bald werden inne,
Wenn ich ein ander weis beginne!
Nun het er selb ein schöne katzen,
Die fieng die meus und große ratzen;
Davon ward hübsch, auch feißt und glat.
Dieselb band er in die werkstatt,
Daß sie kein maus noch ratz mer fieng;
Und an sein arbeit wider gieng
Und werket, wie er vor het tan
Und die leut warn an im gewon.
Und wenn die arbeit war bereit,
So namen sies mit dankbarkeit,
Dankten und giengen aus der tür.
Der schmit sprach: »Katz, das geb ich dir!«
Die katz nam ab und ward bald mager,
Dieweil sie nit aus irem lager
Mocht gen, daß nach der narung tracht,
Und man ir sonst nichts zeßen bracht.
Damit verschmacht und gar verdarb,
Daß sie zuletst auch hungers starb.
Da solchs der schmit nun innen wart,
Er sprach: »Wil mir ein ander fart
Nit gnügen lan an solchen fratzen,
Sonst get mirs gleich wie meiner katzen.«
Dem schmit es eben gangen ist,
Wie man von einem heiden list,
[224]
Der het in künsten lang studiert
Und oft von seinem meister gehört,
Man solt sich nemen tugent an
Und stets woltun auch jederman,
Und einr dem andern willig geben:
Das ghört zum erbarlichen leben.
Denn wer das tet, wurd hoch gelobt
Und dafür reichlich wider bgobt.
Er dacht: das wil ich werden in,
Ob dem so sei! und gieng bald hin
Und ließ zu solchen guten sachen
Zwen große hübsche kasten machen
Und alle beid beschmiden wol.
Den einen stopfet er ganz vol
Mit kleidern, geld und hausgeret
Und was im Gott verliehen het,
Zu geben nach eins jeden bger;
Den andern ließ er bleiben ler,
Daß er darein auch legen mocht,
Was im von leuten wurd wider bracht.
Er tet den vollen kasten auf,
Da gwan er bald guten zulauf,
Gab jederman und war ganz bider;
Wenn er ward ler, so füllt ern wider
Und gab fast aus alln, wer da kam.
Zuletzt mit schaden auch vernam,
In andern kasten kam gar nüt;
Da ward er auch des gebens müd
Und sprach: »Ich sehe wol, wie sichs helt;
Es ist gar ein undankbar welt.
Man solt nur niemand tun zu gut;
Niemand ist, ders bedenken tut.
Drumb wil ich bhalten, was ich hab,
Nit hoffen auf eins andern gab.«
Wir christen aber han die ler,
Wie uns heißt Christus, unser herr,
Daß wir solln unser milde gaben
Mitteiln alln, dies von nöten haben,
[225]
Auch unsern feinden lieb beweisen,
Damit den himlisch vatter preisen,
Warten dafür ein größern lon,
Den uns kein mensch hie geben kan;
Haben den trost und die zusag,
Daß uns nit bleibt an jenem tag
Ein waßertrunk, eim armen bracht,
Unvergolten oder unbedacht.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 39. Vom Schmit und seiner Katzen. 39. Vom Schmit und seiner Katzen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8EA0-F