[86] Die neunzigste Fabel.
Von dreien Mönchen.

Achtzehn mönch in eim kloster warn,
Kal, glat, rund wie die narrn beschorn.
Under die kam ein große qual,
Daß sie schier starben all zumal
Biß auf zwen, waren von den alten;
Ein junger ward mit in erhalten.
Als nun die toten warn begraben,
Mit seelmeß hoch in himmel ghaben,
Da traurten fast die überblieben.
Dasselb biß an den abend trieben;
Darnach des traurens gar vergaßen,
Zum abendmal zusamen saßen.
Lang het bekümmert sich ein jeder
Umb dieselben verstorbnen brüder,
Daß sie des wurden auch ergetzt.
Wie sich ein jeder het gesetzt,
Ward erst herbracht ein warm gemüs,
Das war bestraut mit zucker süß.
Der eltest nam ein leffel balt,
Het gmeint, das mus wer eben kalt,
Und damit nach dem rachen rennt:
Da het er bald das maul verbrennt.
Doch schwieg er still und wolts nit sagen,
Daß sich ein ander auch solt wagen,
Und sprach: »Der himmel ist gar hoch!«
Der ander tets unwißend noch,
Verbrennt sich auch in solchem geit
Und sprach: »Wie ist die welt so weit!«
Der jüngst gleich wie die andern tet,
Weil in niemand gewarnet het,
Verbrant das maul auch wie die andern
Und sprach: »Manch schalk tut darin wandern!«
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Warf hin den leffel, hub an und gren.
Das wundert ser die andern zwen,
Sprachen: »Ach, bruder, sagt uns heut,
Was das unzeitig weinen bdeut.«
Er sprach: »Daß unser sein nur drei,
Leben doch nit on triegerei.«
Wer in trübnus und leiden schwer
Muß schwimmen, hat allzeit beger,
Daß er auch einen bei im het,
Der im im unfall gsellschaft tet.
Drumb fleißt er sich oft, wie er kan,
Daß er auch hab ein gsellschaftsman.
Es wird auch angezeigt hierin,
Daß, wie man siht, der menschen sin
Allzeit geneigt ist zu dem bosen.
Mer denn zu vil sein der gottlosen,
Und ist das menschlich herz fürwar,
Wie die schrift zeuget offenbar,
Mer aufs bös denn aufs gut geneigt,
Wie sich solchs in uns alln erzeigt.
Drumb hilfts nit, daß mans har ausrauft,
Oder sonst in ein kloster lauft
Und sich eim grauen rock vertraut,
Weil uns der schalk steckt in der haut;
Mühen diß leben so vertreiben,
Das unkraut laß beim weizen bleiben
Biß zu der ernt; jeder so leb
Und sehe zu, wie er rechnung geb
Von werken, worten und aller tat
Und was sein pfund gewuchert hat.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das dritte Buch. 90. Von dreien Mönchen. 90. Von dreien Mönchen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8EAC-8