Die fünfzigste Fabel.
Des Bettlers Kaufmanschaft.

Es war ein armer man, hieß Rüppel,
Gieng auf einr stelzen wie ein krüppel
Und het nit mer denn einen fuß,
Der ander war im zu einr buß
Vor seine bosheit abgeschlagen;
Drumb must sich mit der stelzen tragen.
Es ward im auch derselbig ort,
Dazu die stadt verboten hart;
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Jedoch ward im erlaubt daneben,
Daß er die tag seins ganzen leben
Des bettelns weiter het zu gnieten,
Denn der keiser hat zu gebieten.
Drumb zohe er dland auch auf und nider,
Bettelt das brot, verkauft es wider.
Das trieb er wol bei sieben jarn,
Biß er war kommen wol zuvorn,
Ein guten rock het, ungepletzt,
Ein neuen mantl, mit leder bsetzt,
Hosen und wammes von gutem tuch,
Ein wol geschmiert gestickten schuch,
Ein feinen breiten bilgrims hut,
Ein neuen ledersack, war gut
Mit käsen, speck und würsten gspickt,
Daß er in auf der achseln drückt,
Auch pfenning, heller, ein ebne summ,
Die er het in den dörfern rumb
Und auf der kirchweihe zamen glesen.
Auch pflag er sonst zu binden besen
Und in die narung wol zu stellen;
Tet sich auch sonst zu keinem gsellen,
Mit dem er het das almos gsucht,
Daß ers allein behalten mucht,
Was im ward hie und da beschert:
Damit sich in der stille nert.
Einsmals sich auf ein sontag bgab,
Zoh aus eim dorf ein berg hinab
Und kam an eine große hecken
Und tet sich in den schatten strecken
Vor hitz der sonn ins grüne gras.
Ein ebne weil daselben saß,
Daß er den kropf verdauen mucht,
Den er im dorf zusamen gsucht,
Denn er sich da het wol gekropft
Und seinen renzel voll gestopft.
Die bettelsucht in bald bestund,
Daß er ein weil schlafen begunt
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Under demselben grünen baum.
Da fiel er in ein süßen traum
Von kaufmanschaft und großen sachen;
Damit er wider ward entwachen.
Den traum er fleißig überlegt
Und dacht: du hast dein gütlin ghegt
Und nun ein eben geltlin gfaßt,
Nit in dem bier und wein verbraßt
Wie mancher trunkner voller schlauch.
Sihe, da ward er gewar im strauch
Ein stücke wilds, ein schöne hind,
Ward fro, gedacht: wie fein sichs findt!
Dein glück wil sich jetzt recht beginnen.
Lag still, gedacht mit klugen sinnen:
Das wilt wilt jetzund hie erschlagen,
Hin in die stadt gen Nürmberg tragen,
Komt zu deim anschlag wol zu steur:
Da ist jetzund das wildpret teur,
Weil ebn ist daselb der reichstag,
Dest teurer ich es geben mag,
Brengen das gelt an einen haufen;
Dafür wil kleine pfennwert kaufen.
Die wil ich haußen bei den hützen
An eier, käs und gelt verstützen,
Oft widerumb dasselb anlegen:
Das bringt zuletst groß gut zu wegen;
Daneben nit des bettlens schemen:
So wird mein gut weidlich zunemen,
Biß ich ein gülden drei, vierhundert
Zusamen bring, daß manchen wundert.
Ich weiß ein gsäß in einem dorf
Zu Düringen, heißt obern Orf,
Ist wol glegen zu allem handel,
Und fürn die leut ein guten wandel:
Daselb wil ich mich niderschlagen,
Mein lebn enden in guten tagen,
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Und wil dahin richten mein sach,
Daß ich mög haben hausgemach
Und han an meinem gut ein gnügen,
Gsind halten, die den acker pflügen,
Daß korn, erbeiß, bonen und flachs
Zu rechten zeiten wol erwachs.
Und wenn aufget die grüne sat
(Wies denn vil vieh daselben hat)
Und ich an meinem fenster leg,
Die kelber auf dem acker seh,
So wolt ich schreien: zehe! zehe!
Herab! daß euch unglück bstee!
Und rief gar laut so unbedacht;
Damit das wilt ward schuchtern gmacht
Und lief zu holz in voller brunst:
Da warn sein anschleg gar umbsunst.
Gott hat all ding gemacht so wol,
Daß man von gdanken gibt kein zol;
Denn wenn mans als verzollen solt,
Wist nit, wo man zuletsten wolt
Zusamen bringen so vil gelt,
Zu wenig wern all schetz der welt.
So voll gedanken ist das herz,
Ist nit zfrieden, denkt immer fürwerz,
Sich der wol hundert understet,
Der doch wol nit eins vor sich get.
Manchen des nachts auf seinem lager
Machen gedanken müd und mager,
Daß er dafür nicht ruhen kan,
Nimt sich unmuter sorgen an,
In seim herzen ein kram aufbaut,
Den er mit gdanken fein anschaut
Und wol auf tausent gülden schatzt:
Damit er sich nur selber fatzt.
Des morgens, wenn ern sol bewegen,
Hat nit ein pfennwert auszulegen.
Drumb ists unnütz, den vorwitz treiben,
Wie auch solchs die poeten schreiben,
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Gleichen die gdanken eim finstern man,
Den niemand niergen sehen kan;
Wenn man mit henden greift nach im,
So findt man nichts und ist dahin.
So sind die gdanken wie der wint,
Den man wol hört, doch niergend findt,
Und ist denken ein unnütz müe,
Als wenn einr mülk und het kein küe,
Und bekümmert mit solchen dingen,
Die im doch nimmer mögen glingen.
Es ist ein alt gemein sprichwort:
All menschlich anschleg gen nit fort
Und sondrlich ein nerrisch anfang,
Der gwinnt gmeiniglich den krebsgang.
Denn die tollen anschleg der narren
Gen für sich, wie die hüner scharren.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 50. Des Bettlers Kaufmanschaft. 50. Des Bettlers Kaufmanschaft. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8EC8-8