Die vierzigste Fabel.
Vom Wucherer und einem Gesellen.

Ein armer gsell sichs undernam,
Zu einem reichen bürger kam,
Fordert in heimlich auf ein ort
Und sprach: »Herr, höret mich ein wort!
Ich het euch umb ein kleins zu fragen;
Bitt, wöllet mir die warheit sagen.
Ein stücke golt, geleutert, rein,
In der größ wie ein zigelstein,
Wenn eim solchs unser Herrgott bschert,
Lieber, sagt mir, was wers wol wert?«
Da wuchs dem wuchrer groß verlangen,
Meint, er het schon den fisch gefangen,
Sprach zum gsellen: »Hör, was du tust,
Ein wenig dich enthalten must.
Ich hab zu tun jetzund mit leuten,
Drumb kum heim auf die malzeit heuten
Und iß mit mir, was uns Gott geit,
So geb ich dir ein guten bscheit
(Gedacht, daß er dasselbig golt
Von stund da mit im bringen solt)
Und dich heut mit mir frölich machen,
So wolln wir reden von den sachen.«
[226]
Der gsell seumt nit, kam allzuhand,
Zum reichen sich zur malzeit fand.
Da macht ern frölich, ließ schenken ein
Gnug von dem allerbesten wein.
Er aß und trank und war frölich
Und ließ kein ding bekümmern sich.
Da er war eben lang geseßen,
Het wol getrunken und sat geßen,
Er sprach: »Es ist zeit, aufzusten.«
Er nam urlaub und wolt nu gen.
Der kaufman folgt im an die tür
Und sprach: »Wie du mir heut gabst für
Von einem großen stücke golt,
Fragtest, was das wol gelten solt;
Laß sehn, so wil ich dirs wol sagen
Und mich mit dir darumb vertragen.«
Er sprach: »Ich hab sein nit jetzunder,
Und nimt mich von euch großes wunder,
Daß ir bei einem armen gsellen
Eins solchen schatzs vermuten wöllen.
Wenn mir aber ein glück zustünd,
Daß ich ein solch stück goldes fünd,
Daß ich denn wüst, wie ichs solt acht,
Und mein rechenschaft darnach macht.
Ja, wenn ichs aber überkum,
So glob ich euch, wo ich bin frum,
Weil ich sehe, daß euch drumb so gach,
Und ir so fleißig fragen nach,
So wil ich zu keim andern lauf,
Ir solt der nehst sein zu dem kauf.«
Ich hab oft von den alten ghort,
All menschlich anschleg gen nit fort,
Sonderlich wie jetzt mancher helt,
Mit wucher, geiz dem gelt nachstellt,
Drumb schadts nit, daß er wird betrogen
Und im zu zeiten vorgelogen.
Und obs nit allzumal geschicht,
Was unsers herzen geiz ersicht,
[227]
Da leit nit an, daß auch zu zeiten
Die geizigen den esel reiten.
Wünschen, verlangn, warm sommertag,
Der gen vil in ein hopfensack.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 40. Vom Wucherer und einem Gesellen. 40. Vom Wucherer und einem Gesellen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8EE0-0