[194] Die fünfundzwanzigste Fabel.
Vom Pfaffen und seiner Metzen.

Es ist jetzt über zwenzig jar,
Zu Hildesheim in Sachsen war
Ein pfaff, het ein gut vicarei
Und ein gar schöne metz dabei.
Die het an schön den preis und rum
Vor allen weibern auf dem tum.
Dasselb verdroß die andern herrn,
Doch kontens im mit fug nit wern,
Denn sie selb auch das merer teil
Zohen an solchem bubenseil.
Dennoch wards im von alln vergunt,
Mancher mit listen darnach stunt,
Und mancherlei ursach erdachten,
Daß im das ros entreiten mochten,
Und teten ir oft vil geloben,
Wie sies reichlich wolten begoben.
Da solchs derselbig pfaff ward merken,
Tet ers freundlich mit worten sterken
Und kleidt sie schon nach all irm willen,
Mit gelt und kleinot tet sie stillen
Und sprach: »So du wirst bei mir bleiben,
Wil ich dir etlich gelt verschreiben,
Daß du nach meinem tod solt han,
Davon dein tag magst müßig gan.«
Als das weib solche woltat sach,
Gar freundlich zu dem pfaffen sprach:
»Bei euch bleib ich, mein lieber herr!
Wenn schon der bischof selb da wer,
So wil ich euch doch nit verkiesen:
Solt ich sein gnad und huld verliesen:
Des solt ir euch zu mir versehen.«
Wie nun solch freundlich glübd geschehen,
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Und das sahen die andern pfaffen,
Daß sie an im nit mochten schaffen,
Den pfaffen vorm bischof verklagten
Und in gar böslich da besagten,
Sprachen, es geb groß ergernüs,
Wenn man sie lenger bei im ließ,
Hetzten die bürger auch auf in;
Die giengen zu dem bischof hin
Und sprachen, wie dieselbig metz
Auch ire metzen trotzet stets
Mit iren kleidern, wo sie gieng,
Und so vil kleinot umb sich hieng,
Machten den butzen also groß,
Daß auch den bischof selb verdroß.
Gebot dem pfaffen bei dem ban,
Daß er das weib solt von im tan.
Das gschahe nu oft; doch ward nichts draus,
Hielt sie dennoch heimlich im haus.
Einsmals der bischof wider kam,
Den pfaffen gar ernstlich vornam
Und sprach zu im: »Wir hetten ghofft,
Weil wir dich han gestraft so oft,
Soltest das weib von dir gelaßen;
Nu wir sehn, daß dich nit kanst maßen,
So achtens wirs jetzt noch vors best,
Daß du sie jetzund von dir lest,
Oder die vicarei verliesen:
Von zweien hastu eins zu kiesen.
Bedenk dich hierauf disen tag,
Auf daß ich morgen wißen mag,
Wes du gesinnet oder nicht,
Und ich mich nach demselben richt.«
Er sprach: »Dasselb gebot annim«,
Gieng hin, kert in der tür bald ümb,
Sprach: »Was hilfts, daß man vil wort macht?
Ich hab mich jetzt nu schon bedacht:
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Mögt, wem ir wolt, das lehn verschreiben,
Ich wil bei meinr Elene bleiben.«
Gieng heim; solchs seiner metzen klagt.
Wie er ir alles het gesagt,
Sie sprach: »Ir habt unweislich tan!
Het ir mir gsagt ein wort davon,
Ich het euchs warlich nit geraten.
Ir seit ein narr in all eurn taten,
Wißt ir nit, daß kein weib, schon, zart,
Umb eins mans willn kein hure wart?
Bin auch eurnt halben in den orden
Nit kommen und ein hure worden;
Ich folg der vicarien nach:
Wo dieselb bleibt, da bleib ich auch.«
Vil leut, die sein so gar erwegen,
On alle scheu ind laster legen,
Mit den zu zeiten Gott verschafft,
Daß sie auch werden hie gestraft.
Ir gut aufhangen faulen secken,
Damit die armen solten decken,
Den sie doch nit die schnitt vom teller
Zuwerfen, oder einen heller
Geben von all irm überfluß.
Gut ists, daß sie auch hie tun buß,
Die guten tag also ausschwitzen,
Zwischen zwen stülen nidersitzen.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 25. Vom Pfaffen und seiner Metzen. 25. Vom Pfaffen und seiner Metzen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8F0B-4