Die dreiundsechzigste Fabel.
Vom Hund und Wolfe.

Für eim haus lag ein hund und schlief.
Bald ein hungriger wolf herlief,
Erwischt den hund, wolt in verzer.
Er sprach: »Herr wolf, mein lieber herr,
Wie wolt ir sein also vergeßen,
Mich dörren, magern schelmen freßen?
Harrt, daß ich werde baß bei leib.
Es nimt mein herr jetzt bald ein weib,
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Wil ich mich in der hochzeit mesten
Und gar wol leben mit den gesten.
Wenn ich denn worden glat und feißt,
Wil ich mich euers willn geleist;
So bger ich auch nicht leng zu leben,
Wil mich euch willig übergeben.«
Der wolf glaubt im und nam das an.
Da war ein halbes jar vergan;
Da kam der wolf des nachtes wider,
Fordert den hund, sprach: »Bistu bider,
So kum heraus und halt dein wort.«
Das het der hund im haus gehort;
Er lief bald auf den suller hoch,
Antwort im durch ein enges loch
Und sprach: »So oft du wider kümst
Und mich außen der tür vernimst,
Es sei im vorhof oder garten,
So darfstu keinr hochzeit mer warten.«
Wenn ein weiser in unfall kümt,
An einem ort ein schaden nimt,
Vil baß siht er sich darnach für,
Daß im nit mer kum für die tür.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 63. Vom Hund und Wolfe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8F27-4