Die zweiundfunfzigste Fabel.
Von einem Curtisan.

Vor zeiten in den alten jarn,
Da die leut gar vil frömmer warn
Denn jetzt in diser bösen zeit,
Da der Satan verböst die leut,
Da warn die, welch man geistlich nant,
Nit so wie jetzt der welt bekant;
[267]
Irn tittel da mit eren fürten,
Mit guter ler und leben zierten,
Warn nit so auf den geiz gericht,
Wie man jetzt von in allen sicht;
Warten der schrift in rechtr einfalt,
Hetten ein gringen aufenthalt,
Warn hölzen kelch und gülden pfaffen,
Die man nit tadlen kunt noch strafen.
Jetzt aber habens kelch von gold
Und sein dem geiz daneben hold,
Und sein die pfaffen jetzt gar hülzen
Und gar vil grober denn die rülzen.
Zur selben zeit, wie jetzt gesagt,
Ward nit so nach dem geld gefragt;
Den wucher nantens simonei,
War nit wie jetzt gelaßen frei.
Jetzt aber, weils der bapst tut selb,
Gibt er zu irer axt ein helb,
Und wo der apt letzt würfel walten,
Mögn die brüder wol schanzen halten.
Solchs trieben sie gar unverschamt,
Und habns doch in irm recht verdamt,
Vor simonei und wucher gscholten.
Ja, wenn wirs jetzund rechnen wolten,
So hat der bapst vil größern hon
Und mer schadens der welt geton
Denn der Simon, so Troja zstört,
Und der, welchen sanct Peter rürt,
Dem er des heiligen geistes gab
Mit großem gelt wolt kaufen ab.
Ja, wenn mans acht und recht bedenkt,
So sicht man, daß ers keinem schenkt:
Wer ein officium wil haben,
Der muß mit geld und großen gaben
Erlangen, sonst gewinnt er nit,
Wie man zu Rom offentlich siht.
[268]
Ja, warumb solt ers nit verkaufen,
Weil die leut teglich darnach laufen
Und er auch selber sein papat
Vergebens und umbsunst nit hat?
Drumb in das gbot gar nit anficht,
Das Christus zu sein jüngern spricht:
»Weil irs umbsunst entpfangen haben,
Solt ir dafür begern kein gaben.«
Kost in vil gülden und vil kronen,
Warumb solts nit der arbeit lonen?
Vil bischtum muß drumb geben hin,
Die im sonst trügen guten gwin,
Den cardinaln gut feißt prebenden,
Die reichen klöster in commenden.
Drumb hat er im auch eingeleibt,
Wie er in seinen rechten schreibt,
All bischtum, stift und gute pfründ,
Die er verkauft on alle sünd.
Wers nit mit gelt und bei im sucht,
Der hats dolose und ist verflucht.
Doch werden sie damit getröst:
Er nimt das klein, leßt in das gröst.
Drumb ist in solchs je wol zu raten:
Wo man mit einem kleinen braten
Ein seiten specks mag werfen ab,
Ist warlich nit ein gringe gab,
Und ist ein grosch wol aus zu geben,
Der eim ein gülden mag erheben.
So bald ein pfründ erst ledig stirbt,
Der denn bald komt, dieselben erbt,
Wie in der müln, der erst komt, malt.
Doch dringt vor all des gelds gewalt.
So hat sichs auch bei meinem leben
Mit einem curtisan begeben:
Da war ein feißte tumerei
Im stift zu Würzburg worden frei;
[269]
Macht er sich auf zun selben zeiten,
Mit großer eil nach Rom zu reiten.
Wie er kam an des Teutschlands end,
Ins Welschland da das gbirge wendt,
Ward im sein pfert gar heftig hinken,
Vor onmacht gunt zur erden sinken.
Er dacht: zu fuß kanstu nit laufen!
Forscht, ob er fünd ein pfert zu kaufen.
Gedacht: wirst den termin verseumen,
So wird ein andrer vor dir scheumen!
Kam zu eim wirt, der het ein pfert,
Das lobt er teur und hielts gar wert;
Doch wars ein schelm in seiner haut.
Der curtisan sein worten traut,
Nams hin und zelt dem wirt das gelt,
Sattelts und wolt damit ins felt.
Der wirt sprach: »Er ist resch und geil,
Nur daß er hat ein kleinen feil:
Im anfang ist er treg im gang,
Dasselbig wert aber nit lang;
Wo irn nur reiten, daß er schwitzt
Und daß er nur einmal erhitzt,
So lauft er stets in vollem traben,
Daß ir gnug dran zu halten haben.«
Ja wol, da er in aushin bracht,
Da het er weder kraft noch macht,
Wolt nit fort, daß er het mocht schwitzen.
Zletst kunt nit lenger auf im sitzen,
Gieng nach zu fuß und trieb in fort,
Gedacht oft an des wirtes wort
Und sprach: ob ich möcht baß fort kum?
Band er dem pferd sein mantel umb,
Begoß in auch dazu mit harm;
Half aber nit, er ward nit warm.
Er war seins unglücks nit fast fro.
Zuletst nam er ein büntel stro;
Das gunt er umb das pfert zu binden,
Unden und oben, vorn und hinden,
[270]
Und sonst vil ander list erdacht,
Auf daß er in erwermen mocht;
Half aber nit, sein witz und kunst
War an dem gorren gar umbsunst.
Da ward er schellig, nam ein feur
Und sprach: »Stündstu mich noch so teur,
Laß sehen, ob ich dir den schweiß
Austreiben kan, daß dir werd heiß!«
In dem dasselbig stro anzundt;
Das pfert von stund laufen begunt.
So lang er mocht, folgt er im nach,
Biß ers zuletsten nimmer sach.
Er trollt sich gmachlich überd heid,
Lacht seines schadens vor großem leid
Und sprach: »Nun hat der wirt die gülden,
Doch weiß ich in nit zu beschülden;
Weil er mir tet die warheit sagen,
Hab ich nit über in zu klagen.
Derhalben muß von Rom wol bleiben
Und diß meim unverstand zuschreiben.«
Der wirt hat schwerlich gsündet dran,
Daß er ein solchen frummen man
Verhindert hat in solcher reis,
Dieweil das jederman wol weiß,
Daß der bapst in seim abenteßen
Desselben stücks nit hat vergeßen,
In seiner bull verflucht, verdamt
All, die da sein so unverschamt
Und jemand an der römjchen reisen
Verhindern und kein hülf beweisen.
Welchs dieser wirt nit hat bedacht,
Oder villeicht den fluch veracht,
Daß er im nit gehorsam gwesen;
Hat leicht des Luthers bücher glesen,
Wie auch sonst jetzt die ganze welt
Aufs bapsts gebot zwar nicht vil helt.
Jedoch wil ich in des entheben
Und weiß im nit vil schult zu geben,
[271]
Weil er im hat die warheit gsagt
Und der curtisan in nit verklagt.
Geb, daß sie all mit solchen pferden
Auf solcher reis gelaßen werden!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 52. Von einem Curtisan. 52. Von einem Curtisan. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8F31-C