Die dreiundneunzigste Fabel.
Vom Cameltier.

Der Camel tet sich beklagen ser,
Wie bloß er stünd on alle wer,
Und wer dennocht so hoch gewachsen;
Daneben sehe er sten den ochsen,
Der trüg zwei hörner lang mit eren,
Damit er sich der feind möcht weren;
Er aber wist sich nit zu retten.
Ob einst der feind wurd an in treten
Und auf in seine zäne wetzen,
So het er sich nit zu entsetzen.
Den Jupiter rief bittlich an,
Daß er sich wolt erbarmen lan,
Aus gnaden im zwei hörner geben,
Daß er in nöten möcht sein leben
Erretten vor den feinden bös
Und irem feindlichen gedös.
Der torheit lacht der Jupiter
Und sprach: »Wie gar nerrisch ist der!
Er leßt im nicht an dem begnügen,
Welchs im Gott und natur zufügen,
Daß er so hoch ist auferwachsen
Und tregt ein sattel auf der achsen,
Ist sterker denn die andern tier
Und tregt auch mer denn ander vier.«
Aus zorn schneidt er im ab die oren,
Macht in den andern tiern zum toren,
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Daß er solchs bgert so unbedacht,
Ward von den andern dazu belacht.
Was einem jedern gibt das glücke,
Das nem er als sein eigen stücke,
Welchs im ist worden zur ausbeut,
Und sehe nicht fast auf ander leut;
Denn solchs zu mermaln ist geschehn,
Als wir erfarn und selb gesehn,
Daß einer sein beruf verließ
Und im selbst ein beßers verhieß,
Sein anschlag aber felen tet,
Zu letst noch groß noch kleines het.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Erster Theil. Das erste Buch. 93. Vom Cameltier. 93. Vom Cameltier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8F6B-C