Die zweiundvierzigste Fabel.
Vom Studenten und einem Müller.

Ein jung gsell aus dem Welschland zoh
Von Bononi, der schulen hoch;
Daselben het er lang studiert
Und all sein barschaft gar verzert,
Doch lieber lenger da wer blieben,
Het in die not nit heim getrieben.
Wie er durch Schwaben ziehen tet,
Kam er an einem abent spet
Vor eine mülen an eim fluß,
Weit vom dorf wol zwen armbrustschuß;
Umb herberg bat dieselbig frau.
Sie antwort im, sprach: »Auf mein treu,
Ich darf euch jetzt nit laßen ein,
Denn ich bin hinnen gar allein.
Mein man der ist mit seinem karren
Mit korn hin zu der stadt gefaren;
So hat er mir befolhen heut,
Solt nit einlaßen fremde leut.«
Damit gieng nein, die tür schloß zu.
Der gsell gedacht: wie tu ich nu?
Es tet im ant, er kraut den kopf:
Bald ward er gwar beim haus ein schopf,
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Darunder lag ein haufen heu,
Stieg heimlich nauf, macht im ein streu.
Da lag er lenger denn zwo stunt
Und vor hunger nit schlafen kunt.
Zuhand er zweier menschen wort
Im haus daniden reden hort.
Er dacht: nun ist die frau allein,
Oder der wirt ist kommen heim.
Gar heimlich neher zuhin kroch;
Da fand er in der wand ein loch.
Beim feur sah er ein tisch gedeckt;
Da waren semeln aufgelegt,
Zwei braten hüner, ein schäfen käs,
Gleser und ander trinkgefeß,
Ein eierkuchen und ein fladen,
Dacht: wer wird hie zu gast geladen?
Ein fünfmeßige flasch mit wein.
Zuletst kam auch gschlichen hinein
Aus demselben dorf der pfarrherr.
Dem ward erboten große er;
Die frau hieß in freundlich wilkommen,
Und ward gar lieblich angenommen.
Begunden sich allbeid zu setzen,
In frölichkeit sich zu ergetzen.
Bald kam der wirt; da ward die freud
Verwandelt in ein traurigkeit.
Er sprach: »Tu auf!« und weidlich klopft.
Die frau erschrak, die flasch zustopft
Und warf sie under einen schaub,
Die hüner bdeckt mit eichenlaub,
Den schäfen käs mit allen wecken
Tets mit eim alten sack bedecken,
Den eierkuchen und den fladen
Schloß bald in ire schleierladen.
Der pfaff wust sich niergn zu verhüten;
Er kroch under ein kleine bütten.
Die frau tet auf, den man einließ
Und in freundlich wilkommen hieß
[231]
Und sprach: »Wie komt ir jetzt so spet?
Des ich mich nicht versehen het.
Nun hab ich zwar jetzt auf dißmal
Vor euch nit kocht ganz überal,
Denn ich mir nit het vorgenommen,
Daß ir so bald solt widerkommen.«
Er sprach: »So eßen wir käs und brot:
Er stirbt nit hungers, wers selb hat.«
Er zohe sich ab, setzt sich zum feur.
Der gsell sahe all diß abenteur;
Er dacht: du tust gleich, wie tu tust,
Zu disem spiel auch kommen must,
Und disen wunderlichen boßen
Magstu nit ungeendet laßen.
Stieg nab vom heu, klopft an die tür.
Der wirt fragt: »Wer ist jetzt dafür?«
Er sprach: »Erzeigt mir eure güt!
Es ist jetzt nacht und bin ganz müd;
Im ganzen dorf, noch vorn noch hinden,
Kan ich niergend kein herberg finden:
Ein jeder mir dasselb versagt.
Laßt mich doch ein, so lang biß tagt!«
Da sprach der wirt: »Eins fremden armen
Sol man sich stets aus lieb erbarmen.«
Tet auf die tür und ließ in ein,
Sprach: »Ich seß doch sonst hie allein.«
Die frau bracht kleine käs, warn trocken,
Vom brot auch etlich schimlig brocken
Und kocht bald einen habern brei;
Dazu sich setzten alle drei
Und aßen zwar nit vil davon.
Der wirt den gast fragen began,
Wohin er wolt, von wann er kem,
Und was er neus im land vernem.
Mit vilen worten und umbstend
Solchs in berichtet der student
Und sprach: »Im Welschland hab studiert,
Da man die freien künste lert.«
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Der wirt sprach: »Wolt mirs nit verkeren,
Da möcht ich gern etwas von hören.
Ich bin ein grober baur unwißen,
Hab mich nie keiner kunst geflißen;
Doch hör ich gern von fremden sachen,
Die ein zu zeiten frölich machen.«
Er sprach: »Vil wunderlich geschicht
Wird man daselb gelert und bricht,
Von alln geschöpf der creatur
Ir eigenschaft und ir natur,
Von himelisch und irdschen dingen,
Davon wir oft hörn sagen und singen,
Auch was der teufel in der hellen
Dort niden tut mit sein gesellen,
Von bschweren und der schwarzen kunst,
Die ich nit hab gelernt umbsunst,
Darin ich etlich jar vertrieben
Und gar mit großem fleiß geschrieben.
Wenn ir mir abr nit glauben wolt,
So könt ich machen, daß ir solt
In eim geringen spürn mein kunst.
Daß ir nit denkt, es sei umbsunst,
Ein gdicht und los betriegerei,
Wil ichs mit einem stücklin frei
Vor euch jetzt sichtiglich beweisen,
Daß ir hienehst mein kunst solt preisen,
Und sol zugen mit guten boßen.
Allein daß ir euch weisen laßen
Und nichts zu meinen dingen sagen,
Nach disem oder jenem fragen!
Laßts mich allein nur machen gar:
Ich bin euch gut vor alle far.
So sitzt nu still; es sol euch frummen
Und noch zu allen freuden kummen.«
Dem bauren tet der vorwitz ant;
Er sprach: »Nu machts nach eurer hant.
Kriegt ich ein guten trunk davon,
So wolt ich loben all eur tun.«
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Da sprach der gsell: »Gebt euch zu frieden;
Schweigt ir, laßt mich allein nur reden!«
Bald stund er auf und macht ein kreis,
Schrieb character, die ich nit weiß,
Sprach etlich wort auf greks, ebreisch,
Arabisch oder sonst kaldeisch,
Und macht vil seltzam cerimoni,
Und sprach: »Kumb heraus, Calcedoni!
Diß klein ich jetzt von dir beger,
Das bring mir one seumen her!«
Damit er etlich kreuze macht
Mit seltzam berd und viler pracht
Und sprach: »Herr wirt, in jener ecken
Werdet ir finden etlich wecken,
Ein schäfen käs on arge list,
Mit einem sack bedecket ist.«
Dem wirt war zu den dingen gach,
Lief zu und dise ding besach.
Da fand er, daß alles so war;
Davon er ward erfreuet gar.
Der gsell mit seiner kunst fur fort
Und redt noch etlich heimlich wort,
Sprach: »Under jenem laub von eichen
Mögt ir zwei braten hüner reichen;
Ein fladen und ein eierkuch
Man in der schleierladen such,
Dort hinder jenem bündel stro
Ein flasch mit wein, die macht uns fro.«
Da sprach der wirt: »Es ist jetzt gnug!
Wir haben jetzund unsern fug.«
Da sprach der gsell: »Het ir nit gwert,
Ich wolt uns haben mer beschert;
Ir macht mit eurem schwatz und klaffen,
Daß ich dißmal nit mer kan schaffen.«
Die frau sahe saur, bei ir gedacht:
Hat dich der teufel jetzt herbracht?
Vor euch wars nit zusamen tragen!
Doch dorfte sie kein wort nit sagen.
[234]
Dem pfaffen ward dort hinden bang,
Ein stunt daucht in eins jares lang,
Gedacht: wer ich hinaus mit fug,
Du soltest mich mit dem betrug
Dein tag nit wider bringen rein:
Solt mir ein ewig warnung sein!
Sie aßen, trunken, lebten wol,
Daß mit der zeit der wirt ward vol,
Denn im die sach so wol behagt;
Zuletst hub an zum gast und sagt:
»Wenns möcht on unsern schaden gschehn,
So wolt ich gern den teufel sehn,
Der uns gibt speis und guten wein,
Es muß ein frommer teufel sein!«
Da antwort im der gsell und sprach:
»Weil euch zun dingen ist so gach,
Und ich eur gir damit mag schweigen,
So wil ich euch denselben zeigen.«
Er sprach: »Wenns zugieng unverletzt,
Und ich mich nit dafür entsetzt,
Möcht gern sehn, wie er wer gestalt.«
Er sprach: »Sein farb ist manigfalt:
Er wird in aller farb und berd
Wie ein polypus figuriert,
Und ist sein kunst wol tausentfach.«
Der baur forcht sich, zum gsellen sprach:
»Ich merk wol, daß ir sein seit mechtig;
Und wer der schelm auch noch so prechtig,
So könt irn in eim wort begreifen,
Daß er muß tanzen, wie ir pfeifen.
Macht nur, daß ich in sehen müg,
Und sich damit von hinnen füg,
Nit wie ein schlang oder böser wurm,
Vil lieber in einr menschen form.«
Da sprach der gsell: »Wolan, wolan!
Er sol bald vor euch einher gan
In eines feinen mans gestalt,
Nit all zu jung, auch nit zu alt.«
In seinen kreis gieng er da wider;
Da buckt er sich zu dreimal nider
[235]
Und auf latin laut reden gunt,
Welchs denn der pfarrherr wol verstunt,
Dem er ein solche losung gab,
Daß er die butten bald warf ab
Und macht im haus ein groß getümmel,
Als ob sie gfallen wer vom himel.
Der baur erschrack und schrei bald: »Zeter!
Hilf, heilger himelfürst sanct Peter!«
In mittler zeit nit seumt der pfaff,
Daß er gerad die türen traf.
Da sprach der gsell: »Seit gutes mutes
Und verseht euch nu alles gutes!
Hab im zum teil sein macht benomen;
Er wird so bald nit wider komen.«
Des trosts der wirt ward eben fro
Und sprach für großer freud also:
»Nu darf ichs bei meim eid wol sagen,
Daß ich bei alle meinen tagen
Vil ghort von dingen, die geschehen:
Doch hab ich nie kein teufel gsehen,
Der so gestalt und ehnlich wer
Unserm pfarrherrn als eben der!«
Man weiß wol, wie ermals die pfaffen,
Mer denn sichs zimt, hetten zu schaffen
Mit der burger und bauren weiben,
Davon ich wist gar vil zu schreiben,
Daß sie wie die treuen pastorn
Gar oft ir schäflin selber schorn;
Doch dorften sich des nit erwegen
Offentlich, wie die schäfer pflegen,
Sondern heimlich oft in den klausen,
Im finstern, wie die katzen mausen.
Ja, wenn da einer kommen wer,
Het dem pfaffen dieselbig scher
Ein halbe spann vorn abgehauen,
So wern gar oft die jungen frauen
Frum, züchtig blieben, unbetrogen,
Und irem bubennetz entflohen,
So dörft burger und baur nit nern
Die kinder, ders nit vätter wern.
[236]
Geb dem barbier die beul und leit,
Der den pfaffen die platt erst schneidt!
Het er dieweil dasselb gemitten,
Dort niden etwas abgeschnitten,
So wer manch from man baß beweibt,
Der sich sonst an ein huren reibt.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 42. Vom Studenten und einem Müller. 42. Vom Studenten und einem Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8F7D-6