[146] Die vierte Fabel.
Vom Gardian und einem Lotterbuben.

Zu Friburg, welchs im Brißgau leit,
Ein schöne stadt, vom Rhein nit weit,
Da saß ein burger, hieß der Strauß.
Der lud einst geste in sein haus
Vom rat und universitet;
Auch geistlich leut gebeten het,
Johanniter, geistlich tumherrn,
Augustiner und predigern;
Die franciscan vor andern ert,
Das macht, daß erst warn reformiert:
Pater Beraldus, gardian,
Derhalb gesetzt ward oben an;
Sein geistlichkeit tet hoch aufbrüsten:
Macht, daß die leut nit beßer wisten.
Das evangeli da nit war,
Wie es (Gott lob!) jetzt offenbar.
Der Wirt die gest da frölich macht,
Nach eßens spielleut einher bracht:
Da spielt ein jeder, macht das sein.
Aufs letst kam auch ein freiet nein,
Der rümt sich einen buben stolz,
Macht im vil sprüch aufm lotterholz,
All reimes weis tets einher machen
Und hielt sich prechtig in den sachen.
Da hub vor alln zu reden an
Oben am tisch der gardian,
Sprach: »Fritz, sag an, wann kumst du her?
Tregst deinen bengel überzwer.«
Er sprach: »Aus Frankreich, von Paris.«
Er sprach: »Kumst aus dem paradis,
[147]
Ei lieber aleph, beth und gimel,
Ich hör, du bist gewest im himel,
Dort oben bei den engeln gwesen,
Davon wir so vil wunders lesen.
Eins ich dich jetzund fragen sol,
Das weist on allen zweifel wol,
Als, was daselben ist geschehen.
Lieber, hast nit daselben gsehen
Dort oben bei den lieben heiligen
Franciscum, unsern vatter seligen?
Sag, welchen chor er innen hat?
Ich weiß, er ist gar vil bei Gott.«
Der freiet merkt sein hönlich fragen,
Sprach: »Wirdig Pater, wils euch sagen.
Franciscus sitzt zu disen stunden
Neben Gott mit seinen fünf wunden;
Allein sie sein so scheinbar nicht:
Macht, daß so vil nit ausgericht;
Und mit sanct Peter spielt im bret.
Vil seltzam ding mich fragen tet.«
Der gardian sprach: »Woltst doch sagen,
Was wunderlichs tet er dich fragen?«
Er sprach: »Er fragt mich, ob auch wer
Von seim orden auf erden mer.
Ich sprach: Heiliger Vatter, ja,
Es seind vil tausent klöster da,
Da ligens haufet ob einander;
Etlich die ganze welt durch wandern,
Raspeln der leut gelt, gut und hab
Mit irem sack und bettelstab.
Er antwort mir: Das glaub ich nicht,
Du tust mir denn ein beßern bricht.
Ich sprach: Was ich jetzt sag, ist war,
Ich hab ir noch in disem jar
Als drei und zwenzig fünfzehnhundert
Ein haufen gsehen, daß michs wundert.
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Zu Burgis in Hispanien
Waren etlich aus Indien,
Aus vilen inseln über mer
Und allen landen kummen her,
Aus den provinzen überall
Zu eim capitel general.
Als sie daselb beschloßen hetten,
Vor ein minister kiesen teten
Frater Franciscum Angelis,
Darumb daß er dem kaiser ist
Bluts halb gewant, beim bapst verschaff
Ein gmein edict und peinlich straf
Wider die lutherisch ketzerei.
Zu hilf ist im geben dabei
Der ablaß und die indulgenz,
Daß ers mit kreuz und reverenz
Sol füren wie ein general,
Damit er zu eim cardinal
Erwelt als ein höchsten prelaten,
Wenn er brengt achtzig tausent ducaten,
Gleich wie vor im getan allda
Christophorus de Forolivio,
Der cardinal von Ara celi,
Der jetzt auch hat gesungen eli,
Auf daß der orden einen het,
Der iren stand beschützen tet;
Denn wie mich jetzt die sach ansicht,
Wird er aufs schierst auch hingericht.
Als ich das sagt, da ward Franciscus
Ganz zornig wie ein basiliscus.
Jedoch, da er sich baß bedacht,
Sein schaf wider zusamen bracht,
Er schütt den kopf und sprach: Nit weiß,
Von zweien dünket mich schier eins:
Ich het mich schier zu vil vermeßen,
Denn ich so lang bin hie geseßen
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Im himmel bei dreihundert jar,
Und sags bei meinem eid vorwar,
In all der zeit hab nie vernommen,
Daß einer wer gen himmel kommen.
Ich sihe, es hat sich gar verkert,
Tun nicht, wie ich sie hab gelert;
Sie finden nit in meiner regel,
Daß sie solln schieben solche kegel,
Nach hohen digniteten trachten,
Mit breiten hohen hüten brachten,
Aus großes gut und geiz gedenken,
So tief in weltlich sachen senken,
Drumb müßens, wie man sagt, bei parn
Mit einander zum teufet farn.«
Als solchs der gardian da hort,
Er schweig und sprach den tag kein wort.
Damit sein vorwitz trieben ein,
Denn sie allzeit im frummen schein
Sich an eußerlich wesen preisen
Und damit vor andern beweisen,
Als hetten sie den besten stant;
Doch ists für Gott nur lauter tant.
Damit die armen leut bedauben,
Lestern das Gottswort und den glauben.
Ja, wenn Franciscus als betrieben,
Was sie han selb von im geschrieben,
Also geschehn und alles war,
So darf ichs reden offenbar,
Daß er solchs aus vermeßenheit
Oder sonst aus lauter torheit
Getan; das laßen wir geschehen,
Wölln dieweil auf uns selber sehen.
Ein jeder wird nach disem leben
Von seinem tun rechenschaft geben,
Von bös und gut, am jüngsten tag;
Darnach ein jeder leben mag.
Es wird auch hiemit angezeigt,
Wie sichs oft ungefer zutregt,
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Daß, wer mit unbescheidenheit
Ein spöttisch fragt aus haß und neit,
Der wird oft einr antwort gwert,
Welch er zu hören nit begert.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 4. Vom Gardian und einem Lotterbuben. 4. Vom Gardian und einem Lotterbuben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8F86-0